Dritter Brief des hl. Johannes von Ávila

an Johannes von Gott

Ich habe Eueren Brief erhalten. Glaubt nicht, dass es mir überdrüssig wird, wenn Ihr mir ausführlich schreibt, denn da die Liebe groß ist, kann auch der Brief nicht lang erscheinen. Ich bitte Euch, denkt daran, wie ich mich freue, angenehme Nachrichten von Euch zu erhalten, wenn Ihr mir schreibt oder wenn ich sonst etwas von Euch höre. Und wenn Ihr mir nicht zur Last fallen wollt, so seid nicht träge, dies auch zu tun, selbst wenn es Euch etwas kosten sollte. Die Liebe zeigt sich nicht in Worten, sondern in Werken, und sie zeigt sich am meisten, wenn es uns mehr kostet, was wir für die tun, die wir lieben.

Bedenkt wohl, mein Bruder, wie teuer unserem Herrn das Gute zu stehen kam, das er in Euere Seele gelegt hat. Wenn er Euch einen Tropfen von dem Blut geschenkt hätte, das es ihn gekostet hat, so würdet Ihr ihn mit äußerster Sorgfalt auf bewahren. So müsst Ihr es auch mit dem Guten tun, das er in Euere Seele gelegt hat. Er hat es Euch nicht geschenkt, indem er es auf irgendeine Weise für Euch gewonnen hat, sondern indem er es auf dem Kalvarienberg für Euch erkämpft hat; er hat das Leben verloren, damit Ihr es gewinnt. Und was würde das wohl bedeuten, den Schweinen vorzuwerfen (Mt 7,6), was unser Herr Euch gegeben hat, damit Ihr den Engeln gleich seid? Was wäre es, wenn Ihr die Schönheit verlieren würdet, die er in die Seelen gelegt hat, durch die sie wohlgefälliger und schöner sind als die Sonne selbst?

Es ist besser zu sterben als gegen unseren Herrn unredlich zu sein. Unser Herr sagt nämlich, wie sein Diener sein soll, den er über sein Gesinde setzt: treu und klug (Mt 25,23; 24,45) Um treu zu sein, muss er auch klug sein, denn wenn keine Klugheit vorhanden ist, dann stürzt der Mensch in tausend Dinge, die Gott nicht wohlgefällig sind, und seine Torheit wird mit fürchterlicher Qual bestraft. Deshalb müssen wir ein für alle Mal lernen; es genügt, dass der Mensch nur ein einziges Mal töricht ist, um auf eigene Kosten für das ganze Leben daraus zu lernen. So wagt es auch der geprügelte Hund nicht, dorthin zurückzukehren, wo er die Prügel bekommen hat, und auch der Vogel kehrt nicht zur Falle zurück, der er entronnen ist. Denn wenn der Weise sich die Erfahrung anderer zunutze macht und wenn sogar der Dumme aus der eigenen Erfahrung lernt, was soll man dann von dem sagen, der auch nach vielen traurigen Erfahrungen noch nichts gelernt hat? Was verdient ein solcher anderes, als dass der Herr ihn ganz sich selbst überlässt, damit er zusammen mit den ganz Törichten, die zur Hölle fahren, bestraft werde? Wer besondere Gaben von Gott erhalten hat, wen er aus der Hölle herausgeholt und wem er die Befähigung für den Himmel geschenkt hat, der hat die große Verpflichtung, auf sich selbst und auf die Ehre Gottes zu achten. Je weiter wir in unserem Leben fortschreiten, desto schwieriger ist es, uns in unseren Sitten zu bessern. Es nützt nämlich wenig, gut begonnen zu haben, wenn wir schlecht enden.

 

Ein Jäger ärgert sich sehr, wenn er einen Vogel schon, gefangen in der Hand hatte und ihn, dann fortfliegen sieht, ohne ihn jemals wieder zu sehen, wenn er ihn, aber noch gar nicht in seiner Gewalt hatte, bereitet es ihm nicht so großen Ärger. So empfindet auch unser Herr größere Betrübnis, wenn er sieht, dass eine Seele, die er schon für sich gewonnen, gereinigt und zu seinem Tempel gemacht hatte, mit dem bösen Feind davongeht, größere Betrübnis als bei anderen, die ihm niemals gehört hatten. Auch der Teufel freut sich mehr, wenn er solche Seelen für sich gewinnt, die vorher Gott gedient hatten, als andere, die schon vorher schlecht waren. Deshalb, mein Bruder, müssen wir die Augen gut offen halten und das Banner unseres Herrn hochhalten, um ihm nicht diesen Schmerz und dem Teufel nicht dieses Vergnügen zu bereiten, dass wir den, einmal eingeschlagenen Weg verlassen. Da es nur noch ein kurzer Weg ist, so ruft von Herzen unseren Herrn an und vergesst nicht, zu beten und an der Messe teilzunehmen, denn das ist eine sehr gute Sache. Gebt Acht, dass Ihr Euch selbst nichts Übles antut, wenn Ihr darangeht, anderen Gutes zu tun. Passt auf, dass Euere Seele nicht Hunger leidet; wenn sie ausgehungert ist, wenn sie keinen Trost hat, wenn es ihr schlecht geht, was nützt dann all das Gute, das Ihr den anderen erweist? Unser Herr sagt ja: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele verliert? (Lk 9,25; Mt 16,26).

Begreift, dass Ihr Gott dann am meisten wohlgefällig sein könnt, wenn Ihr Euere Seele vor ihm rein bewahrt. Das größte Werk der Barmherzigkeit, das Ihr vollbringen könnt, besteht darin, dass Ihr Euere Seele ihm wohlgefällig erhaltet. Deshalb wacht und betet (Mt 26,41; Mk 14,38), wie unser Herr sagt, damit der Teufel Euch nicht unversehens überrasche, der tausenderlei Nachstellungen und Fallstricke bereithält, um Euch zugrunde zu richten. Es freut mich auch, dass Ihr an den Hof geht, um die Herren von Kastilien um Hilfe zu bitten, damit Ihr Euch wenigstens nicht in Schulden stürzt, solange Ihr dort bleibt. Gebt auf Euch Acht, wenn Ihr dort seid und wenn Ihr wieder draußen seid, damit Ihr unserem Herrn dient und ihm die Ehre bringt, für die er Euch herangebildet hat. Er sei immer Euer Schutz und Euere Zuflucht. Amen.

Jene Person, die gebeten hatte, für Euch die Schulden bezahlen zu dürfen in der Absicht, dass Ihr dann eine andere Aufgabe übernehmt, muss der Teufel in menschlicher Gestalt sein, der Euch mit den Worten täuschen will: es ist keine Sünde. Sie wollte erreichen, dass Ihr die Berufung verliert, die Gott Euch geschenkt hat. Der heilige Paulus sagt, dass jeder in dem Stand bleiben soll, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat (1 Kor 7,20; Eph 4,1). Denn wenn Gott will, dass ich ihm als Kammerdiener diene, ich aber nur Schweine hüten will, dann versündige ich mich gegen Gott und muss ihm über alles Rechenschaft geben, was ich in der anderen Beschäftigung mir hätte verdienen können. Und wenn Euch, mein Bruder, eine noch so glänzende Erscheinung sagen würde, sie sei ein Engel Gottes, und sie würde Euch eine derartige Botschaft bringen, dann sagt diesem Wesen, dass es nichts anderes als der Teufel ist und dass Ihr den Weg nicht verlassen wollt, auf den Gott Euch gestellt hat. Im Evangelium hat er j a gesagt: Wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet (Mt 10,22; 24,13). Lest diesen Brief mehrmals, und Gott bewahre Euch vor allem Bösen. Amen.

Ich habe keine Kleidungsstücke, die ich Euch jetzt schicken könnte. Zum Ausgleich werde ich Messen für Euch lesen lassen; sie werden Euch besseren Schutz bieten.

 

 

Download der Briefe des hl. Johannes von Ávila

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