Das Mikrobiom

Das Mikrobiom organisiert einen Großteil der Immunabwehr, schützt unsere Haut und kommuniziert mit dem Hirn. Als sogenannte „Darmflora“ beeinflusst es unseren Stoffwechsel nachhaltig.

Josef Wiesinger, Leiter der Diätologie, klärt im Interview auf.

 

Der Darm leistet täglich Schwerstarbeit: Aus bis zu zwei Kilogramm Nahrung holt er alle für den Menschen verwertbaren Nährstoffe heraus. Hilfe erhält er von 10 bis 100 Billionen Bakterien.
Zu wie vielen Arten sie gehören, weiß noch niemand genau. Die meisten Schätzungen liegen zwischen 1.000 und 1.400. Und sie sind nicht bloß Verdauungshelfer. Ihr Einfluss auf unsere Gesundheit ist gewaltig. Seit etwa 10 Jahren steht daher die Erforschung der Magen-Darm-Flora verstärkt im Fokus der Wissenschaft, die mittlerweile bestätigen kann: Eine gesunde Darmflora ist Voraussetzung für ein funktionierendes Immunsystem und eine gute Verdauung. Neuesten  Erkenntnissen zufolge gehen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Übergewicht, Allergien, Darmkrebs, Nierensteine, Reizdarm, Depressionen, aber möglicherweise auch Autismus auf das Konto einer Dysbalance in der Darmflora.

 

Die Grundlage des Mikrobioms wird bei der Geburt gelegt„Bereits bei der Geburt wird die Grundlage für die Entwicklung des Mikrobioms gelegt. Bei einer natürlichen Geburt kommt das Baby im Geburtskanal in Kontakt mit Keimen, die die erste bakterielle Ausstattung für das Immunsystem bilden“, erklärt der Diätologe Josef Wiesinger. Forschungen zeigen, dass Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, ein weniger vielfältiges Mikrobiom aufweisen. „Auch das Stillen unterstützt die Bildung eines gesunden Mikrobioms, ebenso wie eine gemüsehaltige Kost sobald der Säugling auch festere Nahrung aufnehmen kann. Dadurch werden die verschiedensten Arten von Keimen aufgebaut“, so Wiesinger.

 

Abwechslungsreiche Ernährung fördert Diversität der Darmflora

„Je abwechslungsreicher die Ernährung ist, desto verschiedentlichere und höhere Anzahl an Keimen besiedeln die Darmflora“. Dabei wird jedoch zwischen guten und schlechten Keimen unterschieden. „Ausreichend pflanzliche Faserstoffe, regionales und saisonales Gemüse sowie Joghurt oder milchsauer Vergorenes wie Sauerkraut bereichern den Darm mit wertvollen Lactobazillen. Einseitige Ernährung, zu viel tierische Fette oder Fleisch regen die Produktion der Gallensäure an und schwächen dadurch das Mikrobiom. Auch ein Zuviel an Zucker sowie der vermehrte Konsum von Fertignahrung, die meist künstliche Emulgatoren* enthält, sind Feinde für ein vielfältiges, gesundes Mikrobiom“.

 

Übergewicht ist ein beliebtes Forschungsfeld

Vor allem Übergewicht ist mittlerweile ein viel und gerne untersuchtes Forschungsfeld. „Bei verschiedenen Mäusestudien wurde Tieren, die keine Darmbakterien besaßen, einerseits der Kot von dicken oder dünnen Artgenossen zum Fressen gegeben, in einem anderen Versuch, menschliche Darmbakterien von Zwillingspaaren, von denen je einer adipös war. Jene Tiere, die das Mikrobiom Übergewichtiger transplantiert bekommen hatten, wurden dick. Die anderen Mäuse blieben hingegen schlank“.

 

Gene und Umweltfaktoren beeinflussen das Mikrobiom

Weitere Einflussfaktoren auf das Mikrobiom sind Gene und Umweltfaktoren. Neben Geburt und Ernährung prägen auch die Anzahl der Geschwister, geografische Verhältnisse, Hygienebedingungen, Infektionen oder Geschlecht die Zusammensetzung. Ebenso wie Medikamente. Vor allem Antibiotika verändern die Bakterienmischung dramatisch, eine Erholung tritt oft erst nach einem halben Jahr ein. Hier helfen von außen zugeführte Bakterien, die in der Apotheke gekauft werden können. Diese sind allerdings nur bedingt wirksam.

 

 

*Emulgatoren sorgen dafür, dass sich zwei Stoffe, die sich üblicherweise abstoßen, dauerhaft verbinden. Sie machen Margarine streichfähiger, Pudding cremiger oder Wurst, Brot und Kuchen länger haltbar. Ein Vorteil für die Industrie, der aber vor allem Konsumenten mit einer genetischen Disposition für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung krank machen kann.

 

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