Ikone - Fenster zum Himmel
Das „Ikonen-Schreiben“ hat in den letzten Jahrzehnten einen starken Aufschwung erlebt. Viele Menschen wurden durch die Ikonen, ihre Herstellung und ihre spirituelle Kraft begeistert. Die ältesten Ikonen stammen aus den ersten Jahrhunderten nach Christus, so die „Maria Advocata“-Ikone in Rom aus dem 6. Jahrhundert und die „Christus Pantokrator“ - Ikone im St. Katharinen-Kloster in Ägypten aus dem 8. Jahrhundert. Ich denke, niemand kann sich der Faszination dieser “Fenster zum Himmel“ entziehen, obwohl vieles an der Herstellung einer Ikone dem heute herrschenden Individualismus geradezu entgegensteht. Auch heute noch werden echte Ikonen „geschrieben“, nicht gemalt, sie werden vom Ikonenschreiber von alten überlieferten Darstellungen möglichst genau kopiert, so tritt der Ikonenschreiber hinter seinem Werk zurück und die fertige Ikone wird nicht signiert. Als Ikone wird das Werk nur bezeichnet, wenn es auf eine überlieferte Vorlage zurückgeht und wenn es von einem Priester gesegnet worden ist.
Ich durfte einige Jahre Kurse beim Ehepaar Eichhorn besuchen, die zu den besten Ikonenmalern Europas zählen. Trotz einiger Kurse bin ich immer noch Anfänger in diesem faszinierenden Handwerk. Die Ikone wird auf ein Holzbrett, das mit einem Kreidegrund versehen ist, in vielen Schichten aufgemalt. Die verwendeten Materialien sind Blattgold, welches aufgelegt wird und Eitempera (mit Pigmenten vermischte Eilösung). Je nach Erfahrung arbeitet man an einer kleinen Ikone bis zu einer Woche (ganztags und nachts), nicht gerechnet die mehrmonatige Trocknungszeit - also kein Handwerk für Ungeduldige.
Die Raphael-Ikone, die am 29. September endlich in den Besitz des Raphael-Hospizes überging, ist die erste Ikone, die ich ganz ohne Hilfe durch meine Lehrer „fertiggeschrieben“ habe. Für mich ist das größte Erlebnis beim Ikonenschreiben das Herausarbeiten des Gesichtes, das aus einer dunklen Fläche in vielen dünnen Schichten langsam aufgehellt wird.
Trotz meiner begrenzten Zeit hat mich die Faszination Ikonenschreiben nicht losgelassen. Die Ikone öffnet ein „Fenster zum Himmel“, nach alter Tradition ist in ihr die Person, die dargestellt ist, „greifbar“ und ansprechbar. Aus einer Zeit, in der die meisten Menschen nicht lesen konnten, ist die Verehrung der Ikonen ein lebendiges Gebetsbuch für die Gläubigen.
Auch heute lädt die Ikone ein, vor ihr zu verweilen und durch sie auf Christus, die „Ur-Ikone“ zu schauen.
Ursula-Maria Fürst