
Organspenden retten Leben
Welche Regelungen zur Organspende gibt es in Österreich? Wann dürfen welche Organe entnommen werden? – Mit solchen Fragen setzen wir uns meist erst auseinander, wenn wir direkt betroffen sind oder Organspende im engeren Freundes- oder Bekanntenkreis Thema ist. Primarius Dr. Andreas Liedler, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt, hat die wichtigsten Informationen dazu parat. Aus dem Berufsalltag weiß er genau, wovor sich Menschen bei einer Organspende fürchten. „Am größten ist die Angst, dass im Spital die Geräte zur Lebenserhaltung zu früh abgeschaltet werden. Die meisten fragen sich tatsächlich, ob der Mensch bei der Organspende noch lebt. Seien Sie versichert, erst bei einem drohenden Hirntod rückt das Thema Organspende in den Fokus“, betont der Intensivmediziner. „Aber die Diagnostik des Hirntods gehört zu den sichersten Diagnosen, die wir überhaupt in der Medizin stellen können.“ Ängste von Angehörigen werden sehr ernst genommen. Die Unsicherheit, ob jemand tatsächlich gestorben ist, sei völlig unbegründet, weil der Hirntod den irreversiblen, den nicht rückgängig machbaren Ausfall des gesamten Gehirns darstellt. Davor würden Ärzt:innen immer alles versuchen, um das Leben ihrer Patient:innen zu retten.
Widerspruchslösung
Dass in Österreich Menschenleben durch Organspenden gerettet werden können, ist immer weniger selbstverständlich. Die Anzahl nimmt kontinuierlich ab. Es gilt die sogenannte Widerspruchslösung. Das bedeutet: Grundsätzlich ist jeder Mensch Organspender. Wurde zu Lebzeiten nicht widersprochen, dürfen nach dem Tod Organe entnommen werden. Religiöse Gründe werden sehr häufig von besorgten Angehörigen vorgeschoben. In Österreich stehen aber alle Religionsgemeinschaften hinter der Organspende als lebensrettende Maßnahme. „Es ist ratsam, mit Familie und Freunden über die eigene Entscheidung zu sprechen. Viel zu oft ist es einfach die oben beschriebene Angst, die eine Organentnahme bremst oder verhindert“, weiß der Mediziner. Wer aber tatsächlich keine Organe spenden möchte, kann den Widerspruch im Österreichischen Transplantationsregister eintragen lassen. Wer sich dagegen ausspricht, darf aber weiterhin auf der Empfängerliste bleiben. Eine Gewissensfrage also, die sich manche zu Lebzeiten stellen sollten.
„Jährlich warten 800 Menschen auf ein geeignetes Organ. Rund 50 Menschen pro Jahr erleben diese lebensrettende Maßnahme aber nicht mehr“, bedauert Liedler und lässt wissen: „Organspenden retten Leben. Sie verbessern die Lebensqualität vieler Menschen mit Organversagen. Neben lebenswichtigen Organen wie Herz, Leber, Nieren und Lunge können auch Gewebe wie Hornhaut, Knochen und Haut gespendet werden.“ Für Organspender:innen bzw. deren Angehörige entstehen keinerlei Kosten.
Faktor Zeit
In der Praxis sieht es so aus: „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, vor einer Organentnahme das Transplantationsregister abzufragen. Wenn wir das Spender-Krankenhaus sind, stellen wir sämtliches medizinisches und pflegerisches Personal bereit. Die Organentnahme und den Organtransport zum Empfänger-Krankenhaus führt ein externes transplantationschirurgisches Team durch – und das muss in der Regel schnell gehen!“ Ein Herz muss innerhalb weniger Stunden transplantiert werden. Das Zeitfenster bei einer Lunge oder bei einer Leber beträgt zehn bzw. 16 Stunden. Nieren können sogar 36 Stunden „auf Eis“ liegen.
In Österreich gibt es insgesamt vier Transplantationszentren, die jeweils auf gewisse Organe spezialisiert sind. An den Universitätskliniken in Graz, Innsbruck und Wien sowie im Linzer Elisabethinen-Krankenhaus werden Organtransplantationen durchgeführt.
Die Meldung eines potenziellen Spenders obliegt dem Spital, in dem der Hirntod eines Patienten droht bzw. diagnostiziert worden ist. Dazu betont Liedler erneut: „Der Hirntod stellt den irreversiblen Ausfall der Funktionen des gesamten Gehirns dar, also des Großhirns, des Kleinhirns und des Stammhirns. Dieser Tod wird daher medizinisch, ethisch und gesetzlich dem Individualtod eines Menschen gleichgesetzt. Im Falle einer geplanten Organentnahme kann aber durch Beatmung und Medikamente die Herz- und Kreislauffunktion der bzw. des Verstorbenen künstlich aufrechterhalten werden.“ Der Hirntod wird von zwei unabhängigen, dafür qualifizierten Fachärzt:innen festgestellt.
Der körperliche Zustand nach einer Organentnahme ist eine weitere Sorge von Angehörigen. Doch der Körper wird in einem würdigen Zustand zur Bestattung frei- bzw. übergeben.
Lange Wartezeiten
Nieren werden in Österreich am häufigsten transplantiert. Hier gibt es aber eine Ausnahme, weil auch Lebendspender:innen erlaubt sind. Der Großteil der Nierentransplantationen erfolgt jedoch mit Organen Verstorbener. Weitere am häufigsten gespendete Organe sind Leber und Lunge. Die Wartezeiten variieren je nach Organ. Bei einer Niere dauert es im Schnitt etwa dreieinhalb Jahre, bis eine Spenderniere Realität wird. Bei anderen Organen ist die Verweildauer auf der Warteliste deutlich kürzer. Für Betroffene eine quälend lange Zeit, die manche nicht überleben. „Wir sind heute mit unglaublichen medizinischen und technischen Möglichkeiten gesegnet, durch die wir vielen Menschen ein zweites Leben schenken können. Bitte lassen Sie sich beim Thema Organspende – auch als Angehörige – nicht von Angst leiten“, betont Primarius Liedler.
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