
Immer der Küste entlang
Ein warmer Sommertag liegt über Oostende. Einige Möwen kreisen über den Bahnhofsplatz der Stadt, als sich eine Straßenbahn langsam in Bewegung setzt. Es ist die bekannte Kusttram, die seit 140 Jahren die Badeorte entlang der belgischen Küste in der Region Flandern verbindet. Sie ist das beliebteste Verkehrsmittel sowohl unter Einheimischen als auch bei den Tourist:innen.
„Ich bin belgophil“, gibt Michael Populorum zu. Öfters im Jahr zieht es ihn in das Land der Biere, Schokoladen und Pommes frites. Aber nicht nur das Kulinarische, auch die flämischen Städte wie Brügge, Antwerpen oder Löwen haben es ihm angetan und natürlich die belgische Küste. Begeistert ist er hier vom Skulpturenpark Beaufort, der sich seit über 20 Jahren am gesamten Küstenstreifen ausbreitet und derzeit aus 42 Kunstwerken zeitgenössischer Künstler:innen besteht. „Und jedes Jahr werden es mehr“, freut sich der gebürtige Salzburger.
Ein landesweites Netz
Der erste Abschnitt der Küstenstraßenbahn wurde im Jahr 1885 als Dampfstraßenbahn zwischen Oostende/Middelkerke und Nieuwpoort eröffnet. In den darauf folgenden Jahren kamen weitere Abschnitte hinzu. 1930 erreicht der erste elektrische Zug De Panne. Auch eine grenzüberschreitende Linie von Knokke in die Niederlande existierte früher. In den 1970er-Jahren wurden der Oberbau der Strecke erneuert und neue Fahrzeuge angeschafft. „Ein geplanter Ausbau der Kusttram von De Panne nach Dünkirchen in Frankreich wurde bislang noch nicht verwirklicht“, erklärt Michael Populorum, der sich seit Jahren mit der Geschichte der Küstenstraßenbahn beschäftigt.
Mit einer Länge von knapp 70 Kilometern gilt die meterspurige Bahn als die längste Straßenbahnlinie der Welt. Sie ist der letzte Rest eines früher ausgedehnten Netzes von regionalen Überlandbahnen der Nationalen Kleinbahngesellschaft, welches in den 1950er-Jahren über 5.200 Kilometer im gesamten Königreich Belgien umfasste. Betrieben wurden von ihr aber nicht nur Straßenbahnlinien, sondern auch Schmalspurbahnen sowie Buslinien, die auch die Grenzen nach Deutschland, Frankreich und den Niederlanden überschritten. Bald begann der Niedergang des Netzes. Eine Verbindung nach der anderen wurde eingestellt. Im Jahr 1991 wurde im Zuge der Föderalisierung von Belgien auch die landesweite Gesellschaft aufgelöst und ging in die Hand von drei Unternehmen über, die in Flandern, Wallonie und Brüssel den öffentlichen Nahverkehr regional organisieren.
Hop-on, Hop-off
„Wer Abwechslung sucht, dem wird an der Küste nicht langweilig“, findet Michael Populorum. Orte und Städte wie zum Beispiel Oostende, Zeebrugge oder Blankenberge sind mit der Straßenbahn zu erreichen. Zeitweise rollt der Zug auch durch die Dünen oder direkt am Wasser entlang, was für den Straßenbahnliebhaber einzigartig ist. In der Nähe von Middelkerke sind noch die Reste des Atlantikwalls zu entdecken, einer Befestigungsanlage, die während des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Armee zur Verteidigung der Küste errichtet wurde. Das Freilichtmuseum Raversyde macht die Anlagen für Besucher:innen zugänglich.
Sie wollen mehr über Inhalt dieser Ausgabe erfahren?
Hier können Sie sich das Inhaltsverzeichnis anschauen.
Download Inhaltsverzeichnis Granatapfel 7-8/2025 (PDF, Stand 26.06.2025)