Fachkräftemangel als ein globales Problem
Kein „Schrebergartendenken“ Dr. Karlheinz Kornhäusl, Landesrat für Gesundheit und bis zu seinem Wechsel in die Politik selbst praktizierender Arzt in Graz, wählt eher den Begriff der „Baustelle“. Denn: „Baustellen sind nicht von Vornherein etwas Negatives. Wenn man eine Baustelle erkennt, kann man damit beginnen, an ihr zu arbeiten.“ Bereits erkannt wurde die Baustelle der langen Wartezeiten auf beispielsweise Operationen des Hüft- und Kniegelenks sowie des Grauen Stars. Ihr widmen sich aktuell ein Gremium aus 35 Experten. „Da darf es kein Schrebergartendenken geben. Wir müssen auch die Grenzen in unseren Köpfen aufbrechen. Ich glaube, dass Gesundheit keine geografischen Grenzen kennt“, so Kornhäusl. Schließlich spräche nichts dagegen, Versorgung bundesländerübergreifend zu denken, so dass nicht jedes Spital alles anbieten muss, sondern Patienten dorthin kommen, wo auch die entsprechende Expertise vorherrscht. „Wenn man Dinge neu denkt und das gemeinsam tut, auch über Bundesländergrenzen hinweg, dann kann uns einiges gelingen“, ist sich Kornhäusl sicher.
Dass sich die Dinge bereits ändern, zeigt sich im Kleinen. „Die Ordensspitäler gibt es seit mehreren Jahrhunderten, die Barmherzigen Brüder Graz haben im Jahr 2015 ihr 400-jähriges Bestehen gefeiert“, erklärt Gesamtleiter Oliver Szmej.
„In der Vergangenheit war es so, dass die Ordensspitäler sich in einer Nische im Gesundheitssystem wiedergefunden haben und die Akutversorgung eher dem großen Bruder KAGes überlassen haben. In den letzten Jahren hat sich das stark gewandelt, so dass sich mittlerweile alle Krankenanstaltenträger in einem gemeinsamen Miteinander für die Steirer in der Akutversorgung, der Spitzenmedizin und der generellen Versorgung einsetzen.“ Die dringlichsten Baustellen betreffen für Szmej zwei Bereiche: Einerseits gäbe es die Patientenebene und andererseits die Ebene der Mitarbeiter.
„Patienten haben sich im Laufe der Jahre auch verändert. Es wurde früher wenig hinterfragt. Heutzutage möchten Patienten verstehen und ihre eigene Meinung einbringen. Wir müssen sie also anders abholen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir haben hier gelernt, anders zu arbeiten.“ Ebenfalls von immenser Bedeutung sei die Frage, wie man Mitarbeiter gewinnen und auch langfristig halten könne. „Wir müssen einem geänderten Forderungs- und Anspruchsverhalten gerecht werden und ein Umfeld schaffen, in dem sich Mitarbeiter wohlfühlen.“ Wie das genau funktioniert, scheint man bei den Barmherzigen Brüdern zu wissen, denn beim jährlichen Mitarbeiterfest können immer wieder auch Menschen geehrt werden, die 25, 30, 35 und sogar 40 Jahre im Betrieb blieben.
Monetäre Motivation
Selbstverständlich braucht es aber auch adäquate Bezahlung. Die Steiermark verabschiedete im Spätherbst letzten Jahres ein Gehaltspaket in der Höhe von € 130 Mio. für Pflegekräfte und Ärzteschaft. „Geld ist wichtig, aber bei Weitem nicht alles“, weiß Kornhäusl.
„Überbordende Bürokratie, Administration, Kinderbetreuung und planbare Dienstzeiten sind weitere Schrauben, an denen wir drehen.“ Schließlich sei es absurd, dass die Dokumentation eines Pflegeschrittes länger brauche als dessen Ausführung und dass Mitarbeiter nicht Stunden erhöhen können, weil ein Kinderbetreuungsplatz fehlt. Der erste Silberstreifen am Horizont zeichne sich schon ab; die Steiermark könne ein Plus von über 40 Mitarbeitern im ärztlichen Dienst und 200 unter den Pflegekräften vorweisen.
„Die Maßnahmen im Bereich der Ärzteschaft greifen schon, bei der Pflege braucht es noch etwas Zeit. Wir haben einige herausfordernde Jahre vor uns, das ist richtig. Aber wir setzen wie viele andere Unternehmen in anderen Bereichen auch, auf die Ausbildung. Wir selbst sind bereit gewesen, als Barmherzige Brüder in Kooperation mit der FH Joanneum an unserem Standort in Eggenberg einen weiteren Lehrgang für DGKP im Bereich der Pflege hochzuziehen, wo bald 72 Studierende pro Jahr neu anfangen werden“, erklärt Oliver Szmej.
Mag. DDr. Ulf Drabek, MSc MBA, Vorstand für Finanzen und Technik der KAGes, Univ.-Prof. Ing. Dr. Dr. h.c. Gerhard Stark, Vorstandsvorsitzender der KAGes, Mag. Oliver Szmej, Gesamtleiter & Krankenhausvorstand Barmherzige Brüder Graz und Dr. Christian Lagger, Geschäftsführer des Krankenhauses der Elisabethinen im Gespräch (v.l.n.r.). © Osama Rasheed
Zuversicht in Sachen Zukunft
Dr. Christian Lagger, Geschäftsführer des Krankenhauses der Elisabethinen hält eine größere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bundesländern für mindestens genauso wichtig wie adäquate Perspektiven für hochausgebildete, akademisierte Pflegekräfte: „Die Fähigkeitskompetenz und die Zuständigkeitskompetenz müssen harmonisiert werden; ähnlich wie im Vereinigten Königreich, wo es den Ansatz der Community Nurse mit vielen Aufgabenbereichen gibt.“
Für neue Wege plädiert auch Univ. Prof. Dr. Gerhard Stark, Vorstandsvorsitzender der KAGes: „Man muss auch über Innovationen sprechen. So organisieren wir von der KAGes aus gemeinschaftlich mit allen Trägern in der Steiermark unser ‚mobiREM‘ Projekt.“ Dabei geht es darum, älteren Menschen nach einem Unfall oder einer Operation Unterstützung von Fachpersonal zukommen zu lassen. Auch in die Palliativ- und Hospizversorgung sind alle Träger eingebunden. Weiteren Grund zu vorsichtigem Optimismus gibt auch der technische Fortschritt.
Dr. Christian Lagger sieht in Telemedizin und KI enormes Potenzial, plädiert aber auch für besonnenen Umgang: „Es braucht Pädagogen, um der Bevölkerung zu zeigen, wie sie mit modernen Möglichkeiten umgehen kann.“
Stolz kann die Steiermark jedenfalls schon jetzt sein - schließlich hat man in Sachen Notfallversorgung und Basisversorgung einen Weltspitzenplatz inne. Damit das auch so bleibt, gibt es unter anderem die KAGes Strategie 2030. Sie umfasst fünf Dimensionen: Sicherung und Förderung von Know-How, Mitarbeiterorientierung, Patienten- und Bewohnerorientierung, Innovation & Entwicklung im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie „Beitrag zu einer besseren Welt“.
Letzteres zielt auf die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt ab. DDr. Ulf Drabek, Vorstandsmitglied der KAGes, erklärt: „Es geht uns auch um die Gesundheit der Umwelt. Wir reduzieren den Energieverbrauch, bauen nachhaltig, nutzen Geothermie und reduzieren Abfälle.“ Dass es sich dabei nicht um ein Lippenbekenntnis handelt, beweisen die vielen Awards, die die KAGes und auch etwa die Barmherzigen Brüdern den letzten Jahren für ihr Bestreben gewonnen haben.