"Die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem gehörlose Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit bekommen sollten, miteinander zu kommunizieren und zu leben, bewegte Herr Prim. Dr. Fellinger dazu, die "Lebenswelt" zu gründen."
Mag. Thomas Stelzer
(OÖ. Landeshauptmann)
Gründer der Lebenswelt ist Prim.em. MR Univ.-Prof. Dr. Johannes Fellinger. Ihn verbindet sehr viel mit der Gehörlosenwelt.
Dr. Johannes Fellinger ist der Sohn des ertaubten Künstlers Prof. Matthäus Fellinger. Als junger Arzt arbeitete Dr. Johannes Fellinger in der Neurologischen Abteilung des Konventhospitals der Barmherzigen Brüder Linz.
1991 begann er dort Sprechstunden speziell für Gehörlose zu geben.
Medizinische Hilfe bei allen möglichen Fragen wurde in Gebärdensprache und gesicherter Kommunikation angeboten. Zwei Jahre später wurde daraus die Gehörlosenambulanz, das heutige „Gesundheitszentrum für Gehörlose“.
Einige der Patientinnen und Patienten hatten mehrfache Behinderungen und wurden aufgrund von Verhaltensproblemen in die Gehörlosenambulanz geschickt.
In der therapeutischen Keramikwerkstatt der Gehörlosenambulanz blühten sie auf. Es gab Kommunikationsgruppen. Viele freuten sich, andere zu treffen und in Gebärdensprache zu plaudern.
Dr. Fellinger war überrascht, dass kleine therapeutische Angebote zu großen Entwicklungsschritten führten. In seinem Kopf entstand die Vision einer „Lebenswelt“. Ein Ort, der ganz auf die Kommunikationsbedürfnisse dieser Zielgruppe abgestimmt sein sollte.
Für Dr. Fellinger war klar, was die beste Voraussetzung für die eigene Entwicklung und soziales Lernen sind: Ein gemeinschaftliches Leben im Sinne einer „therapeutischen Gemeinschaft“, in der man andere verstehen kann und verstanden wird.
Die Projektidee reifte.
Die Familie von Dr. Fellingers Mutter besaß ein altes Haus mitten am Marktplatz in Schenkenfelden, das „Gerstl-Haus“. Mutter und Tante stellten das Haus unentgeltlich für das geplante Lebenswelt-Projekt zur Verfügung zu stellen. Auch die Bevölkerung des Ortes war offen für die Idee, allen voran der damalige Bürgermeister Peter Bergsmann, Pfarrer Andessner und die Volksschuldirektorin Edith Steffan. Die Gemeinde steuerte das alte ungenutzte Gemeindehaus bei, aus dem die Wohnwelt wurde.
Von Anfang an war klar, dass es gehörlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht, damit die visuelle Kommunikation dauerhaft in der Kultur der Lebenswelt verankert wird. Bis heute ist es Ziel, dass mindestens ein Viertel des Teams selbst gehörlos ist.
1997 wurde die „Vis.com“ gegründet. Die Vis.com ist eine Schule für Sozialbetreuungsberufe mit Schwerpunkt Behindertenbegleitung. Der Unterricht ist in Gebärdensprache.
Gehörlose und hörbehinderte Menschen werden hier speziell für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und Bedarf an visueller Kommunikation ausgebildet.
Insgesamt 4 Jahre dauerten die Vorbereitungen, Bau und Umbau der Häuser.
Im Juli 1999 startete die Lebenswelt mit 10 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und 15 Mitarbeitenden. Die ersten Wochen verbrachten sie in einem Haus in Kirchschlag bei Linz, das dem Gehörlosenverband Oberösterreich gehört, weil das Haus in Schenkenfelden noch nicht fertig war.
Die Freude beim Einzug in das „Gerstl-Haus“ als Arbeitswelt im September 1999 und die neu errichtete Wohnwelt im Juni 2000 war groß.
2005 wurde die Lebenswelt mit der Linz-Werkstatt zum ersten Mal erweitert. Mittlerweile ist diese Außenstelle in die Therapiewerkstatt des Gehörlosenzentrums in der Bischofstraße eingegliedert.
2008 wurde die Lebenswelt Schenkenfelden um 9 Wohnungen erweitert. Diese sind in der Hintergasse.
Wegen der langen Warteliste für einen Platz in der Lebenswelt, gab das Land OÖ im Rahmen einer „Wohnoffensive“ grünes Licht für eine 2. Lebenswelt. Bei einer Wohnoffensive baut das Land OÖ neue betreute Wohnplätze für Menschen mit Behinderungen.
Im Juni 2011 wurde die Lebenswelt Pinsdorf im Salzkammergut eröffnet
Die 3. Lebenswelt wurde mitten in der Gemeinde Wallsee-Sindelburg im Oktober 2014 eröffnet. Die Lebenswelt Wallsee ist die erste Lebenswelt in Niederösterreich.
Bei den Bauarbeiten der Wohnwelt wurden Mauern und Keramiken aus der Römerzeit gefunden. Das örtliche Römermuseum hat die Funde als „Römerwelt“ barrierefrei zugänglich gemacht.
2017 wurde ein weiteres Gebäude im Ort gekauft. Dort befindet sich jetzt die Holzwerkstatt.
2020 wurde ein Teil der Lebenswelt Wallsee in eine Schwerpunkteinrichtung für 6 Bewohner umgebaut.
Eine Schwerpunkteinrichtung ist eine spezielle Einrichtung im Bundesland Niederösterreich. Hier werden Menschen, die sich selbst und andere gefährden, ganztags betreut und die individuelle Entwicklung speziell gefördert.
Im Herbst 2024 wurde die Lebenswelt Pinsdorf mit Hilfe einer neuen Wohnoffensive des Landes OÖ erweitert. In einem neuen Mehrparteienhaus wurden einzelne Wohnungen der Lebenswelt zugeteilt.
Aktuell laufen die Bauarbeiten und die Vorbereitungen für die Lebenswelt Straßwalchen. Die 1. Lebenswelt im Bundesland Salzburg. Geplant ist, dass die Lebenswelt Straßwalchen Ende 2026, Anfang 2027 eröffnet wird.
LEBENSWELT
Lebensfreude durch Gemeinschaft.
Gemeinschaft durch gemeinsame Sprache.
Verstehen durch Gebärdensprache.
Entwicklung durch Verstehen.