Etwa 30 Jahre nach dem Tod des heiligen Johannes von Gott verfasste Francisco de Castro die erste Biographie über ihn. Der mehr als 400 Jahre alte Text ist ein bedeutendes Dokument zum Verständnis des Ordensstifters der Barmherzigen Brüder.
Diese Übersetzung aus dem Spanischen wurde mit zahlreichen, das Verständnis fördernde Fußnoten versehen. Übersetzung und Kommentierung besorgte Nikolaus Mutschlechner, langjähriger Mitarbeiter der Generalkurie der Barmherzigen Brüder in Rom.
Deckblatt der von Francisco de Castro verfassten Biografie des hl. Johannes von Gott
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Die Anmerkungen und Fußnoten finden sich nur in der downloadbaren PDF- oder Word-Datei.
Magister Francisco de Castro, der in Eurem Auftrag Rektor im Krankenhaus von Johannes von Gott in dieser Stadt war, verfasste die Geschichte des Lebens und des Werkes des gesegneten Menschen, der Johannes von Gott war, um so einem Gebot der Pflicht und der Liebe gegenüber dem Haus und dem Hospital, in dem er starb, zu entsprechen.
Er schrieb die Geschichte eines so heiligen Lebens und so wunderbarer Werke jedoch auch, damit sie ein Vorbild und eine lebendige Darstellung dafür seien, wie die Brüder, die ihm gefolgt sind, ihr Leben gestalten sollen, wie sie sich verhalten und betragen müssen, um ihn, als seine Nachfolger in Gewand und Beruf, in so heiligen und frommen Werken nachzuahmen.
Solange mein Sohn am Leben war, hochverehrter Herr, war es sein Wunsch, dieses Werk Euch zu widmen, wie aus seinem Widmungsschreiben hervorgeht.
Nach seinem Tod wollte ich es aus demselben Grund als seine Mutter, der Seine Majestät die Erlaubnis gegeben hat, dieses Buch herauszugeben und zu drucken, ein zweites Mal Ihnen widmen.
Wem könnte ich auch die Geschichte des Lebens eines Armen widmen, wenn nicht einem, der selbst in wahrer Armut lebt, um den Armen zu helfen, wie man an den Ausgaben und an der Einrichtung seines Hauses sehen kann, das so arm ist wie das des Ärmsten in dieser Stadt?
Wem könnte ich das Werk eines Armen besser zueignen als einem, der keinen anderen Namen hat und den das Volk mit keinem anderen Namen nennt als dem eines Vaters und Helfers der Armen, wie die vielen regelmäßigen Almosen beweisen, die er immer in dieser Stadt gegeben hat und weitergibt und darüber hinaus in seinem ganzen Erzbistum mit großer Zurückhaltung und bewundernswerter Klugheit gemäß den verschiedenen Erfordernissen und Nöten den Armen spendet? Die Reichen und Großen preisen Euch, hochverehrter Herr, weil Ihr sie befreit von der Sorge, den Armen und Kleinen Hilfe und Unterstützung zu gewähren, und diese ehren Euch, weil Ihr sie mit überaus freigiebiger Hand unterstützt.
Das hat sich deutlich gezeigt, hochverehrter Herr, bei der Krankheit, unter der Sie in den letzten Tagen gelitten haben; einerseits durch den Schmerz, den alle zeigten, da sie Euch in so großer Lebensgefahr sahen, aus der Gott Sie dank den beständigen Gebeten, Fastenzeiten und Bußen des ganzen Volkes befreit hat; andererseits durch die so ergreifenden Worte, die Ihr während der Krankheit spracht und die die Qual und den Schmerz in allen vermehrten, da sie Euch und das ganze Volk in solcher Sorge sehen mussten, – Worte, die ein deutlicher Beweis der großen Liebe und Zuneigung sind, welche Ihr für die Armen hegt. In der Tat sagten Sie, dass Sie nicht so sehr darunter litten, zu sterben und das Leben zu verlieren in der Stunde, in der Gott Sie rufe, als vielmehr unter dem Gedanken, dass die Armen allein und hilflos inmitten einer so großen Not bleiben würden und dass die Reichen aus dem Besitz der Kirche das wegnehmen würden, was den Armen gehört und ihnen zu eigen ist.
Ich bitte Euch, hochverehrter Herr, dieses Werk annehmen zu wollen, das mein Sohn, der Rektor der Armen des Hospitals (von Johannes) von Gott, verfasste aus Dankbarkeit für das große Wohlwollen, das Ihr ihm im Leben erwiesen habt, und ihm mit Eurer Autorität Ansehen und eine herzliche Aufnahme zu verschaffen, damit es geschätzt werden und sich verbreiten kann zum Vorbild für alle und zum Trost der Armen dadurch, dass alle sehen, dass ein so bedeutender Diener der Armen, wie Johannes von Gott einer war, unter dem Schutz Eurer vortrefflichen Person steht, deren Hauptaufgabe ja darin besteht, die Armen aufzunehmen und zu beschützen. Auf diese Weise werdet Ihr auch mir einen großen Dienst erweisen, die auch ich eine Arme bin, der Ihr viel Gutes getan und Linderung in zahlreichen Nöten gewährt habt.
Hierfür werdet Ihr Lohn und Vergeltung von unserem Herrn empfangen. Möge ER Euch schützen und Euer Leben um so viele Jahre verlängern, wie alle Armen und insbesondere ich, Eure niedrige Dienerin, es wünschen! Hochverehrter und hochwürdiger Herr, ich küsse Eure Füße und Hände.
Catalina de Castro
Gewiss groß, christlicher Leser, ist die Sorge, die seit Erschaffung der Welt unser guter Gott und Herr immer für diese Welt gezeigt hat.
So groß, dass er, genauso wie er mit großem Reichtum in allen Dingen vorgesorgt hat für den Schmuck, die Erhaltung und die Schönheit der geschaffenen Natur, genauso auch, ja mit noch größerem Reichtum, für den geistlichen Bereich (da dieser ja von noch größerer Bedeutung ist) gesorgt hat. Dies hat er getan durch Lehren und heilige Gebote ebenso wie durch Menschen jeden Standes, die durch ein heroisches Leben und hervorragende Werke zu Lehrern und Vorbilder für die anderen Gläubigen wurden, an denen sie sich inspirieren sollten, um nicht zu irren, indem sie sie nachahmten und das eigene Leben in Befolgung ihrer lebendigen Beispiele führten. Auf diese Weise sollten sie leichter und unmittelbarer den Bau des geistlichen Hauses fortsetzen und so alle in Beobachtung der Gebote des Herrn das Ziel erreichen, für das sie erschaffen worden sind.
Nachdem unser Herr mit so großer Freigiebigkeit alle Bevölkerungsschichten mit Patriarchen und Führern versorgt hatte, die er in seiner Kirche erweckte, damit sie den Seelen geistige Hilfe leisteten bei der Ausrottung der Laster und der Pflege der Tugenden mittels der Predigt und der Sakramente, schien ein Orden zu fehlen: Dieser sollte sich in besonderer Weise der Armen annehmen und die Ausübung der Hospitalität zum Ziel haben, das heißt die Fürsorge und Pflege der Bedürftigen, die von unserem Herrn so sehr empfohlen wurden. Da ein solcher Orden fehlte, wurden die Armen weder mit der gebührenden Liebe und Aufmerksamkeit gepflegt, noch wurde ihnen mit der gebotenen Anteilnahme der ermunternde Zuspruch frommer Mahnungen und heiliger Beispiele gebracht, um sie zugleich an Seele und Leib zu heilen, wie es unser Heiland getan hat.
Es hat dem Herrn gefallen, diesen neuen Orden in unserer Zeit entstehen zu lassen mit Hilfe eines niedrigen und in den Augen der Menschen verachteten Menschen, der aber sehr groß und geachtet war in den Augen Gottes, so dass er für würdig befunden wurde, seinen Namen zu tragen: Johannes von Gott.
Indem er vollkommen der Welt mit all ihren Schmeichelein und ihrem Prunk entsagte, wie wir aus seiner Lebensbeschreibung ersehen werden, trat er ihr gegenüber wie ein neuer David.
Die Heilige Schrift berichtet in Kapitel 17 des 1. Buches der Könige, dass David, als leidenschaftlicher Kämpfer für die Ehre Gottes, großen Schmerz über die stolzen Worte empfand, die der hochmütige Goliat gegen die Heerscharen Gottes schleuderte.
Nachdem er die Waffen des Königs Saul erprobt und erkannt hatte, dass er nicht fähig war, mit ihnen zu kämpfen, legte er sie ab und ging lediglich mit seinem Hirtengewand, einem Stock und fünf Steinen in der Tasche hin, um gegen seinen Feind, Mann gegen Mann, zu kämpfen. Mit diesen Waffen und mit der Hilfe des Herrn, auf den er sein Vertrauen setzte, warf er den Gegner mit Leichtigkeit zu Boden, besiegte ihn und rettete so das Volk Gottes von Schmach und Not.
Ebenso legte dieser neue Mensch, den unser Herr durch eine außerordentliche Bekehrung zu einem leidenschaftlichen Kämpfer für seine Ehre gemacht hatte, die Waffen Sauls ab, das heißt alles, was er in der Welt besaß, Güter, Ehren und jedwedes sonstige menschliche Streben; denn er empfand großen Schmerz angesichts der Verlassenheit der Armen und Bedürftigen und ihrer unzulänglichen Betreuung, da die Nächstenliebe erkaltet war. Er betrat das Kampffeld dieser Welt, bewaffnet mit dem Stock, den er gewöhnlich trug und den auch seine Nachfolger tragen, oder deutlicher gesagt, mit dem Kreuz, das er sich mit härtester Bereitschaft zur Buße auf die Schultern lud, indem er seinen Leib abtötete und ihn dem Geist untertänig machte, mit der Tasche samt den fünf Steinen und mit der Schleuder; hiermit sind gemeint der Korb und die milden Gaben, die er mit lauter Stimme und ergreifenden Worten hauptsächlich zum Segen derer selbst, die sie gaben, und für den Unterhalt und die Pflege der Armen erbat, wobei er eine neue Form des Bittens anwandte, wie man sie vorher nie vernommen hatte: „Tuet Gutes für euch selbst!“ Mit solchen Waffen und mit der Hilfe des Herrn focht er so mutig gegen den großen Gegner der Allgemeinheit, dass er, – abgesehen davon, dass er zum Werkzeug zahlreicher und überaus bedeutender Werke der Nächstenliebe wurde, die durch ihn im größten Teil Spaniens geschahen und noch geschehen –, ihm viele verirrten Seelen aus den Krallen riss. Diese bekehrten sich, ergriffen von seinem guten Beispiel, von der Strenge seines Lebens und von den heiligen Ermahnungen, mit denen er sie wirkungsvoll überzeugte, ihr schlechtes Leben aufzugeben und dem gekreuzigten Christus zu folgen.
Und er hinterließ auch eine Ordensgründung, die aus Gefährten besteht, welche mit den gleichen Waffen und der gleichen Hingabe für seine Sache kämpfen, so wie es gegenwärtig geschieht und mit der Hilfe unseres Herrn immer geschehen wird. Dieser Orden mit seinen heiligen Werken ist in der Tat schon weit verbreitet und verbreitet sich täglich mehr.
Das, christlicher Leser, ist das lebendige Beispiel, das dir unser Herr vor Augen stellt, damit du allmählich begreifen lernst, wie du dich an erster Stelle zu dir selbst verhalten musst, um den anderen von Nutzen zu sein, und wie du die Werke der Nächstenliebe und Barmherzigkeit üben musst. Das kannst du tun, indem du nicht nur das, was du in Überfluss hast, hergibst und an die bedürftigen Brüder verteilst, sondern auch indem du dich selbst, soweit du kannst, opferst und sie mit wirklich väterlicher Liebe behandelst, um ihnen mit deinem Beispiel, mit Ermunterungen und auf vielerlei Art und Weise zu helfen aus Liebe zu jenem Herrn, der sich wahrhaft für dich geopfert hat und dir aufs edelmütigste all das gegeben hat, was er dir geben konnte.
Du wirst auch erfahren, wie gut unser Herr schon in diesem Leben die Werke vergilt, die für ihn mit liebevollem Herzen vollbracht werden, und wie er jene erhöht, die sich erniedrigen, sich demütigen und den anderen dienen, indem er ihnen wahrhaft jene Ehre und jenen Ruhm verleiht, der niemals vergeht, wie du deutlich sehen wirst.
Möge es der göttlichen Majestät gefallen, uns ihr ewiges Licht zu gewähren, damit wir, indem wir ehrlich die irdischen und vergänglichen Dinge verachten, in der Lage sind, die Beispiele nachzuahmen, die er uns zu diesem Zweck gegeben hat, und es verdienen, ihn ewig zu schauen und den Lohn zu genießen, den er für solche Menschen bereithält. Amen.
Ende des Vorworts
An den hochverehrten und hochwürdigen Herrn Don Juan Méndez de Salvatierra, Erzbischof von Granada, Mitglied des Rates Seiner Majestät, der Magister Francisco de Castro, Gnade und Glück im Herrn.
Da wir beschlossen haben, hochverehrter und hochwürdiger Herr, das Leben und die wunderbaren Beispiele von Johannes von Gott der Öffentlichkeit bekannt zu machen zur allgemeinen Erbauung der Gläubigen und seiner Gefährten, die ihm in seiner Aufgabe folgten und denen er ein leuchtendes Vorbild und Beispiel war, scheint es mir aus vielen Gründen wichtig, dieses Werk Euch zu widmen; denn Euch gehört es mit vollem Recht, sind Sie doch der Vater, Beschützer und das Haupt dieses seines Hauses und Ordens.
Aus diesem Grunde sorgen Sie mit besonderer väterlicher Zuneigung für dieses Haus, beschützen es und versorgen es mit freigiebiger Hand mit allem, was zum Unterhalt der Armen, die in ihm betreut werden, vonnöten ist, und begeben sich auch persönlich dorthin, um die Armen zu besuchen und Ihr Wohlwollen denen zu vermitteln, die darin Dienst tun, damit sie sich mit immer größerem Eifer dem Dienst unseres Herrn widmen.
Auf diese Weise erfüllen Sie gewissenhaft Ihre Hirtenaufgabe, die sich in besonderer Weise an den schwächsten, gebrechlichsten und der Hilfe und des Trostes am meisten bedürftigen Schäflein zeigen muss.
Es ist selbstverständlich, dass Sie sich mit derselben Sorge für das Seelenheil einsetzen, ja dass Sie das mit noch größerem Eifer und noch größerer Bereitschaft tun, da es ja das Wichtigste ist. Es handelt sich darum, die Seelen zu retten und sie auf jene Weiden zu führen, durch die sie auf die Weiden der Ewigkeit gelangen können.
Da zu diesem Zweck die Lektüre heiliger Bücher und lebendiger Beispiele, welche die Gläubigen zur Nachahmung begeistern, viel beitragen kann, bin ich überzeugt, dass Ihr sehr gern Eure Hilfe und Empfehlung diesem Buche als einem solchen Werk zuteilwerden lässt und meinen kleinen Dienst zusammen mit der Arbeit, welche ich aus Liebe zum Herrn, dem wahren Vorbild für alle, geleistet habe, um es herauszubringen, gerne annehmen werdet.
Der Herr schütze Euch und segne Euch mit jenen göttlichen Gaben, die wir alle, Ihre Untergebenen, Euch wünschen, damit Ihr ihm stets angenehm seid und in der Ewigkeit zu ihm gelangt! Amen.
Die größte Schwierigkeit, die sich dem entgegenstellt, der eine Geschichte wiedergeben will, so wie sie sich in der Wirklichkeit zugetragen hat, besteht darin, die Wahrheit festzustellen und wieder ans Licht zu bringen, welche im Lauf der Zeit überdeckt worden und in Vergessenheit geraten ist. So ist es auch mir bei dieser Arbeit ergangen. Denn obwohl es noch nicht so lange her ist, seit Johannes von Gott gestorben ist, und noch viele von denen leben, die ihn kannten, haben wir von vielen Dingen keine Kenntnis, die zu dieser Geschichte gehören; denn es gab niemanden, der die wesentlichen Begebenheiten seines Lebens aufzeichnete. Dazu war er selbst ein schweigsamer Mensch, der nur selten von Dingen sprach, die nicht die Nächstenliebe und Sorge um die Armen betrafen. Wir wissen also wenig auch von bedeutsamen Dingen, die nach der Berufung durch Gott geschahen und von denen jene, die ihn kannten, uns nur Vermutungen geben, aber keinen sicheren Bericht, den wir niederschreiben könnten. Außerdem sagen sie angesichts dessen, was man über ihn ans Tageslicht fördern konnte, dass viele andere Dinge und zwar sehr bedeutende in seinem Leben geschahen, an die sie sich nicht mehr erinnern können. So schnell vergisst der Mensch!
Das jedoch, was hier berichtet werden wird, ist das, was nach sorgsamer Vergewisserung mit großer Sicherheit festgestellt werden konnte.
Die Quellen, aus denen wir hauptsächlich geschöpft haben, sind ein Notizbuch, das uns ein Gefährte, der ihn auf allen seinen Reisen begleitete, hinterlassen hat. Es ist dies ein Mensch, der ihm geistig sehr ähnlich war. Er schrieb in einem einfachen Stil alles nieder, an was er sich als Augenzeuge erinnerte. Außerdem dienen uns als Quelle die Berichte anderer vertrauenswürdiger Personen, welche mit ihm verkehrten und ihn kannten. Wir haben alles ausgelassen, was nicht zuverlässig bezeugt ist, denn wir sind zuversichtlich, dass der kluge Leser den Rest aus dem ableiten kann, was niedergeschrieben ist. Es ist in der Tat besser, dass vieles ungesagt bleibt, als dass Sachen berichtet werden, die nicht genügend gesichert sind.
Leb wohl!
Im Jahre des Herrn 1538, als in Spanien Kaiser Karl V. herrschte, war Don Gaspar de Avalo, ein hochgeschätzter, kluger und guter Kirchenfürst, Erzbischof der Stadt Granada. Dieser hatte in seiner Zeit die Freude, in seinem Bistum Menschen zu erleben, welche sich durch Heiligkeit und Tugend auszeichneten. Unter diesen war einer, der, obwohl arm, niedrig und verachtet in den Augen der Menschen, hoch geachtet und hoch geschätzt war in den Augen Gottes, so dass er für würdig befunden wurde, seinen Namen zu tragen: Johannes von Gott.
Portugiesischer Herkunft, wurde Johannes von Gott in einem Dorf namens MontemoroNovo geboren; dieses liegt im Bistum Evora im Königreich Portugal. Seine Eltern gehörten dem Mittelstand an, sie waren weder reich noch ganz arm.
Er wuchs im Haus seiner Eltern auf, bis er im Alter von acht Jahren ohne ihr Wissen von einem Kleriker in die Stadt Oropesa gebracht wurde; dort lebte er lange Zeit im Hause eines angesehenen Mannes, den man den Mayoral nannte.
Als er das entsprechende Alter hatte, schickte ihn dieser aufs Feld zusammen mit den anderen Knechten, die die Herde bewachten. Dort hatte er die Aufgabe, die notwendige Verpflegung zu holen; diese Aufgabe erfüllte er mit großer Gewissenhaftigkeit; denn da er in so zartem Alter elternlos dastand, war er bemüht, diesen guten Mann in der erwähnten Beschäftigung zufrieden zu stellen, und ihm als Hirt die ganze Zeit, welche er in seinem Haus verbrachte, zu dienen. Deshalb hatten ihn seine Dienstherren sehr gerne und er war allgemein beliebt.
Als er 22 Jahre alt war, erfasste ihn das Verlangen, in den Krieg zu ziehen, und so meldete er sich bei der Infanteriekompanie eines Hauptmanns mit dem Namen Juan Ferruz, den damals der Graf von Oropesa im Dienst des Kaisers ausschickte, um Fuentarrabia zu unterstützen, das vom König von Frankreich besetzt worden war. Johannes, erfasst vom Verlangen, die Welt zu sehen und jene Freiheit zu genießen, die sich gewöhnlich jene nehmen, die in den Krieg ziehen, indem sie mit losem Zügel auf dem breiten (aber freilich bitteren) Weg der Laster dahineilen, begegnete dabei vielen Schwierigkeiten und sah sich inmitten zahlreicher Gefahren.
Eines Tages während seines Aufenthaltes an jener Grenze fehlte ihm und seinen Kameraden die Verpflegung. Da er jung und sehr hilfsbereit war, bot er sich an, auf einigen Bauernhöfen und Gutshöfen nach Essbarem Ausschau zu halten; diese Häuser befanden sich etwas entfernt von ihnen. Um schneller dorthin zu gelangen und wieder zurückzukehren, stieg er auf eine französische Stute, die den Feinden abgenommen worden war. Als er ungefähr zwei Meilen zurückgelegt hatte, erkannte das Pferd plötzlich die Plätze, an denen es sich gewöhnlich aufhielt und begann in rasendem Lauf in Richtung auf sein Land zu jagen. Da Johannes als Zügel nur einen Halfter hatte, konnte er das Pferd nicht halten und dieses lief so schnell über einen Berghang, dass er wild gegen einen Felsen geschleudert wurde; dort blieb er mehr als zwei Stunden bewusstlos am Boden liegen, während ihm Blut aus Mund und Nase floss. Er war wie tot, niemand konnte ihn in dieser Gefahr sehen und Hilfe leisten.
Nachdem er wieder zu sich gekommen war, erhob er sich, noch ganz benommen von dem Sturz, so rasch wie möglich vom Boden, da ja die noch größere Gefahr bestand, in die Hände des Feindes zu fallen, kniete sich, ohne ein Wort über die Lippen zu bringen, nieder, erhob die Augen zum Himmel und rief den Namen der Jungfrau Maria, die er immer verehrt hatte, an. Er rief aus: „Mutter Gottes, komm mir zu Hilfe. Bitte deinen heiligen Sohn, dass er mich von der Gefahr befreit, in der ich mich befinde, und dass er mich nicht in die Hände der Feinde fallen lässt!“
Dann nahm er unter großer Anstrengung einen Stock, den er dort gefunden hatte, in die Hand, stützte sich auf ihn und begann zu gehen. Ganz langsam gelangte er schließlich an den Platz, wo ihn seine Gefährten erwarteten. Als diese ihn in diesem üblen Zustand sahen, glaubten sie, er sei mit den Feinden zusammengestoßen, und fragten ihn, was vorgefallen sei. Er erzählte ihnen sein Unglück mit der Stute, worauf sie ihn zu Bett gehen hießen, und, damit er schwitzte, mit Decken einhüllten. So erholte er sich schon nach wenigen Tagen und wurde wieder vollkommen gesund.
Kaum waren einige Tage vergangen, geriet Johannes von Gott in eine noch größere Gefahr.
Sein Hauptmann hatte ihm einige Gegenstände zur Aufbewahrung anvertraut, welche den französischen Soldaten abgenommen worden waren. Da er sie in seiner Zerstreutheit nicht an einem sicheren Ort aufbewahrte, wurden sie ihm gestohlen.
Als der Hauptmann davon erfuhr, wurde er so zornig, dass er befahl, ihn am nächsten Baum aufzuhängen, ohne auf die Bitten zu hören, die viele Soldaten zu Gunsten von Johannes von Gott an ihn richteten.
Zufällig kam eine edle Person vorüber, vor welcher der Hauptmann Respekt hatte. Als diese den Grund der Verurteilung erfuhr, bat sie den Offizier, das Urteil nicht zu vollstrecken und sich damit zu begnügen, dass Johannes ihm nicht mehr vor die Augen treten und auf der Stelle das Lager verlassen sollte. Als Johannes sich bewusst wurde, in welche Gefahr er sein Leben gebracht hatte, und merkte, wie schlecht die Welt denen, die ihr folgen, dies lohnt, entschloss er sich, nach Oropesa zum Mayoral ins Haus seines Herrn zurückzukehren und wieder das ruhige Leben eines Hirten zu führen, wie er es vorher getan hatte; dies schien ihm viel sicherer als der Krieg.
Sein Herr freute sich sehr über das Wiedersehen; denn er liebte Johannes wie einen Sohn, da dieser treu und fleißig war und in seinem Haus aufgewachsen war. Diesmal blieb er vier Jahre in seinem Dienst, doch dann erfuhr er eines Tages, als er mit seinen Kameraden das Vieh hütete, dass der Graf von Oropesa mit seinen Leuten im Dienst des Kaisers nach Ungarn ziehen wollte. Der Kaiser hatte sich zu jener Zeit nach Wien begeben, um den Vormarsch der Türken aufzuhalten. Die jungen Leute wollen ja nicht daheim bleiben und sind mit einer Erfahrung nicht zufrieden.
Nachdem sich Johannes genauer erkundigt hatte, entschloss er sich, indem er alles vergaß, was ihm in Fuenterrabia zugestoßen war, dem Grafen zu folgen, und setzte diesen Entschluss sofort in die Tat um. Während der ganzen Zeit, die sich der Graf in Ungarn im Dienst des Kaisers aufhielt, diente Johannes mit großer Umsicht in seinem Hause und erfreute sich bei allen großer Beliebtheit. Nach Beendigung des Krieges und dem Rückzug der Türken kehrte er mit dem Grafen auf dem Seeweg nach Spanien zurück. Der Graf ging im Hafen von Coruna an Land und begab sich darauf nach Oropesa. Auch Johannes ging mit ihm an Land.
Nachdem Johannes mit dem Grafen an Land gegangen war, überkam ihn ein großes Verlangen, in seine Heimat zurückzukehren; denn der Weg dorthin schien ihm von dieser Stelle aus sehr bequem und außerdem hatte er seine Heimat nie wieder gesehen, seit er sie als Kind verlassen hatte. Auch wollte er gerne Kunde von seinen Eltern und Verwandten haben.
Er machte sich also auf den Weg und gelangte nach MontemoroNovo. Als er nach seinen Eltern fragte, erkannte ihn keiner seiner Verwandten wieder, da er schon als kleines Kind weggegangen war; sie konnten ihm auch keine Auskunft über seine Eltern geben, da er ja nicht einmal ihren Namen wusste. Während er nun von einem zum anderen ging, stieß er auf einen Onkel, der in Ehren alt geworden war, und als er mit diesem sprach, erkannte ihn dieser plötzlich sowohl auf Grund der Angaben, die er von seinen Eltern machte, als auch an seinem Gesicht wieder und er fragte ihn, was aus ihm nach seinem Weggang aus der Heimat geworden sei. Johannes erzählte ihm alles, was er erlebt hatte, nachdem man ihn vom Hause seines Vaters fortgebracht hatte. Nachdem sie fast den ganzen Tag miteinander gesprochen hatten, indem einer dem anderen Fragen stellte, sagte der Onkel zu Johannes: „Mein Sohn, du musst wissen, dass deine Mutter wenige Tage, nachdem man dich verschleppt hat, gestorben ist. Sie starb vor Schmerz und Gram über deinen Verlust und weil sie nicht wusste, wohin und wie man dich kleines Kind entführt hatte. Wir alle merkten, dass dieser Schmerz ihr Leben verkürzte und die Hauptursache ihres Todes war. Dein Vater aber ging, da er ohne Frau und Kinder geblieben war, nach Lissabon in ein Kloster und legte das Ordenskleid des heiligen Franziskus an ; dort schloss er in Frömmigkeit seine Tage. Deshalb, mein Sohn, wenn du in diesem Land bleiben und in meinem Haus wohnen willst, werde ich dir helfen und dich in allem wie einen Sohn behandeln, solange du bei mir bleiben möchtest.“
Johannes trauerte sehr über den Tod seiner Eltern, besonders, weil er ahnte, mit Ursache ihrer Leiden gewesen zu sein. Und er äußerte dies lebhaft durch Tränen und anklagende Worte, so dass er auch den Onkel zu Tränen rührte. Er dankte ihm also für seine gute Absicht und für alles, was er für ihn getan hatte, und da er ohne Eltern, allein und von seinen Verwandten unerkannt war, sagte er nach einer Weile zu seinem Onkel: „Herr Onkel, da es Gott gefallen hat, meine Eltern zu sich zu rufen, möchte auch ich nicht in diesem Land bleiben, sondern einen Platz suchen, wo ich dem Herrn außerhalb meiner Heimat dienen kann, wie dies mein Vater getan hat, dessen gutem Beispiel ich folgen möchte. Und da ich ein so schlechter Mensch und Sünder gewesen bin, ist es recht, dass ich den Rest meines Lebens, das mir doch der Herr geschenkt hat, dazu verwende, um Buße zu tun und ihm zu dienen. Ich vertraue fest auf meinen Herrn Jesus Christus, dass er mir die Gnade gewährt, diesen meinen Wunsch in die Tat umzusetzen. Gebt mir deshalb euren Segen und empfehlt mich inständig dem Herrgott, damit er mich an seiner Hand führe. Der Herr vergelte euch die gute Absicht und die herzliche Aufnahme, die ihr mir in eurem Haus gewährt habt.“
Der Onkel gab ihm seinen Segen und sie umarmten und trennten sich unter vielen Tränen. Der gute Alte blickte zum Himmel und sprach: „Johannes, mach dich guten Mutes auf den Weg, denn ich bin zuversichtlich, dass unser Herr dir helfen wird, deine guten Absichten zu verwirklichen, und dass die Gebete deiner guten Eltern dir eine große Hilfe sein werden, damit du ihnen Gesellschaft leisten kannst.“
Nachdem sich Johannes von seinem Onkel verabschiedet und dessen Segen empfangen hatte, begab er sich nach Andalusien und verdingte sich im Gebiet von Sevilla bei der Besitzerin einer Herde als Hirte. So kehrte er einige Tage zu der Arbeit zurück, die er von klein auf erlernt hatte und die ihm deshalb am besten gefiel.
Es scheint, dass unser Herr Johannes eine Zeitlang in diesen beiden Berufen üben wollte, als Hirten und als Soldaten. Denn diese beiden Berufe, vor allem das Kriegshandwerk, eignen sich bestens als Einübung und Vorbereitung auf das geistliche Leben, erkennt doch der Mensch, der das geistliche Leben wählt, dass er nie die Waffen aus der Hand geben darf, sondern stets gegen den Verderber kämpfen muss. Diesen Kampf gegen die Welt und gegen das Fleisch führte auch Johannes. Und er übte sich auch im Beruf des Hirten, sollte er doch Hirt und Führer so vieler Armen und Leidenden werden, für die er mit liebevoller Hingabe für geistliche und weltliche Nahrung sowie Heilung in Krankheit sorgte.
Johannes sagte, er leide sehr darunter, dass im Haus des Grafen von Oropesa die Pferde wohlgenährt, glänzend herausgeputzt und in warme Decken gehüllt im Stall stünden, während die Armen schwach, nackt und der schlechten Behandlung ihrer Mitmenschen ausgesetzt seien. Deshalb sagte er zu sich selbst: „Johannes, wäre es nicht besser, du würdest die Armen Jesu Christi nähren und pflegen als die Tiere des Feldes?“ Dann seufzte er und rief aus: „Gott gebe, dass ich dies eines Tages tun kann!“
Trotz dieses heftigen Verlangens sah Johannes damals noch nicht den Weg, den der Herr ihm für seinen Dienst zeigen wollte, auch wenn er ihn mit der Bereitschaft dazu bereits ausgestattet hatte. Deshalb war er traurig und konnte nicht Ruhe und Frieden finden, denn auch die Tätigkeit als Hirte gefiel ihm nicht mehr. Als er nun einige Tage im Dienste dieser Frau gestanden hatte und darüber nachdachte, was er tun sollte, um der Welt zu entsagen, überkam ihn ein starkes Verlangen, nach Afrika zu gehen und dort eine Zeitlang zu bleiben. Und er setzte seinen Plan gleich in die Tat um.
Er verabschiedete sich von seiner Dienstherrin und begab sich nach Gibraltar, dem Grenzübergang zu Ceuta. Unser Herr wollte nämlich, dass er sich durch die Übung heroischer Werke der Nächstenliebe einen Teil jener Gnade verdiene, die er ihm später gewähren wollte. Deshalb ließ er ihn in Gibraltar mit einem portugiesischen Adeligen zusammentreffen, der in Begleitung seiner Frau und seiner vier jungen Töchter auf dem Weg nach Ceuta war. Dorthin hatte ihn der König von Portugal wegen einiger Vergehen verbannt, aufgrund derer auch seine Güter eingezogen worden waren und er einige Jahre in diesem Grenzgebiet verbringen sollte. Nachdem Johannes mit ihm ins Gespräch gekommen und ihm seine Absicht kundgetan hatte, erbot sich der Edelmann, ihn mitzunehmen und ihm beste Behandlung und Bezahlung zu gewähren. Nachdem sie sich so geeinigt hatten, bestiegen sie ein Schiff und fuhren nach Ceuta.
Nach der Ankunft in Ceuta erwies sich dieses Gebiet als so ungesund für den Edelmann und seine Familie, dass alle krank wurden, wozu nicht zuletzt auch der große Schmerz über die Verbannung und die Verarmung beitrug. So kam es, dass sie schließlich auch das Wenige, das sie mitgenommen hatten, verbrauchten und in bitterste Not gerieten. Deshalb sahen sie sich gezwungen, Johannes von Gott um Hilfe zu bitten. Denn er war, trotz seiner Armut, angesichts des Ortes und der Umstände die einzige Hilfe, die ihnen zur Verfügung stand. Der Edelmann rief also Johannes zu sich und weihte ihn in seine große Notlage ein, indem er ihm verständlich machte, wie schwer es sei, diese armen, aber edlen Mädchen, die im Reichtum aufgewachsen waren, zu erhalten; und da er keinen anderen Ausweg sah, bat er Johannes, bei den Arbeiten, die der König damals in Ceuta zum Zwecke der Befestigung einiger Mauern durchführen ließ, sich zu verdingen und mit dem Lohn den Lebensunterhalt von ihnen allen zusammen zu bestreiten.
Diese Gründe, die jeden ergriffen hätten, aber ganz besonders Johannes zu Herzen gingen, der ohnehin bereit war zu jedem Werk, das unserem Herrn gefiel, waren für ihn so überzeugend, dass er sich sofort bereitwillig erbot, die Bitte zu erfüllen, auch weil er darin einen Weg zur Verwirklichung seines tiefsten Wunsches sah. Und er hielt sich an sein Versprechen, solange er im Hause des Edelmanns war, und übergab ihm allabendlich bereitwillig den Tageslohn, indem er voll Freude sah, dass damit für diese armen Mädchen und ihre Eltern gesorgt war.
Manchmal geschah es, dass Johannes verhindert war, zur Arbeit zu gehen, oder dass er den Lohn für seine Arbeit nicht erhielt; dann hatten sie nichts zu essen und ertrugen dies voller Geduld, ohne mit jemandem über ihre Not zu sprechen. Es war ein so gutes Werk und schien Gott so wohlgefällig, dass Johannes öfters sagte, er habe begriffen, dass unser Herr in seiner großen Güte ihn in dieser Zeit dazu bestimmt hatte, sich in diesem guten Werk zu üben, um so ein wenig von jener Gnade zu verdienen, die er ihm dann gewährte.
Als aber der Teufel, unser Widersacher, den Nutzen sah, der von diesem guten Werk sowohl für den, der es tat, als auch für die, die es empfingen, ausging, setzte er alles daran, es in seiner gewohnten Arglist zu verhindern. Das geschah folgendermaßen: diejenigen, die sich bei den erwähnten Arbeiten verdingten, wurden von den Beamten des Königs beschimpft und misshandelt, als ob sie Sklaven wären, und da sie während ihres Aufenthalts in diesem Grenzgebiet von ihrer Freiheit nicht Gebrauch machen und in christliche Länder gehen konnten, flohen einige besonders ungeduldige und vermutlich haltlose in die nahe Stadt Tetuan und wurden Mohammedaner. Unter diesen war auch ein Freund von Johannes, der unter dem Trug des Satans floh und zum Islam übertrat, ohne Johannes auch nur ein Wort zu sagen. Darüber war Johannes so betrübt, dass er unaufhörlich weinte und seufzte; er rief aus: „O ich Unglückseliger! Wie werde ich für diesen Bruder Rechenschaft ablegen können, der sich in dieser Weise von der heiligen Mutter Kirche getrennt und die Wahrheit des Glaubens verleugnet hat, nur weil er nicht bereit war, ein wenig Mühsal auf sich zu nehmen!“ Und während sein Denken ganz von dieser Vorstellung eingenommen war, flüsterte ihm der Satan ein, dass dies durch seine Schuld geschehen sei, und da Johannes ihm in seiner Schwäche nicht genügend Widerstand entgegensetzte, gelang es ihm fast, ihn dazu zu bringen, dass er an seiner Rettung verzweifelte und so handeln wollte wie sein Freund.
Aber unser Herr, der auf ihn blickte und ihn für große Aufgaben bestimmt hatte, kam ihm, wie er es zu tun pflegt, in der größten Not zu Hilfe und öffnete ihm die Augen seiner Seele, indem er ihn die große Gefahr erkennen ließ, in der er schwebte, und für das notwendige Heilmittel sorgte. Er führte ihn nämlich zu einem Seelenarzt, wie Johannes selbst schon im Gebet unter vielen Tränen und Seufzern es von der Jungfrau Maria erfleht hatte. Er begab sich also in ein Franziskanerkloster, das sich in Ceuta befindet, und begegnete dort mit Hilfe Gottes einem Bruder, der sich durch Bildung und einen vorbildlichen Lebenswandel auszeichnete, dem er in einer ausführlichen Beichte sein Herz ausschüttete und seine Wunden aufdeckte.
Der Beichtvater gab ihm die Medizin, die er jetzt benötigte: er befahl ihm ausdrücklich unter anderem, er solle sofort das Land verlassen und nach Spanien zurückkehren, um so schnell als möglich der teuflischen Versuchung zu entgehen, der er hier ausgesetzt war und die angesichts ihrer Gefährlichkeit ein radikales Gegenmittel erforderte. Johannes folgte dem Rat so schnell wie möglich, auch wenn er unter dem Gedanken litt, dass die Familie jetzt ohne seine Hilfe auskommen musste. Da er aber sah, dass dies notwendig sei, verwarf er alle anderen Gedanken, ging zu ihnen und erklärte ihnen, dass seine Abreise zur Wahrung seines Seelenheils unumgänglich sei; er könne nicht anders handeln, sie möchten ihm verzeihen, es sei sein ehrlicher Wunsch gewesen, ihnen weiterhin mit derselben Bereitschaft zu dienen, solange sie dort seien, aber unser Herr habe es ihm anders befohlen. Gott der Vater werde für sie sorgen, wie er es bisher getan habe, sie sollten deshalb auf ihn vertrauen, ihm aber sollten sie die Erlaubnis zur Abreise geben.
Es ist unmöglich den Schmerz zu beschreiben, den der Vater und die Töchter bei dieser Nachricht empfanden. Da sie aber sahen, dass sein Vorsatz feststand, ließen sie ihn unter vielen Tränen ziehen und wünschten ihm, dass der Herr ihm auf seinem zukünftigen Weg jenen Beistand gewähren möge, den er ihnen habe zukommen lassen, und dass er sich so stets seiner Hilfe erfreuen möge. Und so verabschiedete er sich von ihnen, bestieg ein Schiff und fuhr zurück nach Gibraltar.
Sofort nachdem Johannes von Gott in Gibraltar angekommen war, ging er in eine Kirche, kniete vor dem Bild des Gekreuzigten nieder, dankte unserem Herrn von Herzen und sprach: „Sei gebenedeit, o Herr, dass du in deiner übergroßen Güte einen so großen Sünder und Unwürdigen wie mich von der großen Täuschung und Versuchung, in die ich wegen meiner schweren Sünden geraten bin, befreit hast und mich in diesen sicheren Hafen geführt hast. Hier will ich mich bemühen, dir mit all meinen Kräften zu dienen, wenn du mir deine Gnade dazu gibst. Ich bitte dich deshalb von ganzem Herzen, mein Herr: Schenke mir deine Gnade und wende nicht die Augen deiner Barmherzigkeit von mir. Zeig mir den Weg, den ich einschlagen soll, um dir dienen und auf immer dein Sklave sein zu können. Schenke mir Frieden und Ruhe, damit diese Seele findet, was sie so sehr aus gutem Grund ersehnt; denn du, o Herr, bist überaus würdig, dass dein Geschöpf dir dient, dich preist und sich dir mit ganzem Herzen und ganzem Willen hingibt.“
In den folgenden Tagen, die er dort verbrachte, legte er nach einer entsprechenden Zeit der Vorbereitung eine Generalbeichte ab und suchte unaufhörlich, sooft es ihm nur möglich war, die Kirchen auf, um dort zu beten. Und immer wieder bat er unseren Herrn aus ganzem Herzen und unter vielen Tränen, er möge ihm seine Sünden vergeben und den Weg offenbaren, auf dem er ihm dienen sollte.
Er ging jeden Tag arbeiten, je nachdem, was er fand. Da er sich mit einer bescheidenen Lebensführung begnügte, sparte er sich das Geld vom täglichen Lohn und hatte schließlich eine kleine Geldsumme beisammen. Hiermit kaufte er einige religiöse Bücher, Katechismen und Heiligenbildchen, die er dann seinerseits weiterverkaufte, indem er in der Umgebung von Ort zu Ort zog. Er hatte das Gefühl, dass ihm diese Tätigkeit ein ruhigeres und ehrenhafteres Leben als bisher erlaubte und er darüber hinaus Menschen aller Art nützlich sein konnte. Denn wenn Leute kamen, um weltliche Bücher zu erwerben – er kaufte nämlich auch solche –, ergriff er die Gelegenheit, um ihnen zu raten, sie sollten nicht dieses, sondern ein anderes, religiöses Buch kaufen. So überredete und ermunterte er sie, gute Bücher zu lesen, und erteilte ihnen, besonders aber den Kindern, auch gute Lehren. Beseelt von diesem frommen Eifer gab er weise Belehrungen und verkaufte das religiöse Buch viel billiger, damit sie es nahmen. Ja, er diskreditierte die irdische Ware, um jene himmlische zu verkaufen, weil er sich dafür des ewigen Lohnes gewiss war. Genauso machte er es mit den Bildern, indem er alle davon überzeugte, dass niemand ohne sie sein sollte, um bei ihrem Anblick ständig die Andacht erneuern und sich das ins Gedächtnis rufen zu können, was sie darstellen. Die Katechismen aber sollten den Gläubigen helfen, die Kinder in der christlichen Religion zu unterweisen.
Hierbei zeigte er so viel Geschick und war so freundlich und entgegenkommend zu allen, dass viele auch das kauften, was sie vorher gar nicht hatten kaufen wollen, da sie von seinen Worten, die er mit so viel Anmut und Liebe sprach, überzeugt wurden.
In kurzer Zeit gelang es ihm so, sein geistliches und zeitliches Kapital zu vermehren; denn abgesehen von dem guten Werk, das er tat, indem er viele zur Lektüre guter Bücher veranlasste – es ist offensichtlich, welch großer Segen daraus erwächst – vermehrte er auch seinen Bücherbestand, indem er immer mehr und bessere erwarb. Da es ihm jedoch mit der Zeit immer mehr Mühe kostete, Tag für Tag mit dem Bündel auf den Schultern von Ort zu Ort zu ziehen, fasste er den Entschluss, nach Granada zu ziehen und sich dort niederzulassen. Das tat er denn auch und begab sich im Alter von 46 Jahren dorthin, mietete ein Haus und eröffnete ein Geschäft am Elvirator. Dort blieb er und ging er seiner Arbeit nach, bis es unserem Herrn gefiel, ihn zu einem anderen, besseren Dienst zu berufen.
Während nun Johannes von Gott ganz von seiner Arbeit in Anspruch genommen war, erinnerte sich der Herr an ihn und an die Gnade, die er ihm gewähren sollte, und wandte ihm seine barmherzigen Augen zu. Er erhob ihn zu einer anderen Tätigkeit und machte aus dem großen Sünder einen großen Büßer und Gerechten und Diener seiner Armen. Und das geschah so:
Am Tag des heiligen Märtyrers Sebastian wurde damals in der Stadt Granada in der Kartause der Märtyrer in der Oberstadt gegenüber der Alhambra ein großes Fest begangen. Als Festprediger erschien ein hervorragender Mann, ein Lehrer der Theologie namens Magister Ávila, ein Licht und Glanz der Heiligkeit, der Klugheit und der Wissenschaft für alle seine Zeitgenossen. Er war ein Mann, durch dessen gutes Beispiel und heilige Gelehrsamkeit unser Herr in ganz Spanien großen Segen bei allen Volksschichten unter den Seelen stiftete, so dass darüber ein eigener ausführlicher Bericht erforderlich wäre. Und da seine Predigten so gut und so berühmt waren, folgte ihm auch an jenem Tag aus gutem Grund eine große Schar von Gläubigen. Und in dieser Schar, die ihm lauschen wollte, befand sich auch Johannes von Gott.
Da das Feld seiner Seele hinreichend bereitet war durch die Beichten und die Werke der Nächstenliebe, in denen er sich, wie wir gesagt haben, übte, trug das Wort Gottes in ihm reiche Frucht. Er lauschte angespannt den anschaulichen Worten, mit denen dieser Mann den Lohn pries, den der Herr seinem heiligen Blutzeugen für die vielen, aus Liebe zu ihm ertragenen Leiden gewährt hat, und aus denen der Prediger folgerte, wie sehr doch ein Christ darum bemüht sein muss, unserem Herrn zu dienen und ihn nicht zu beleidigen, und sonst lieber tausendmal sterben sollte.
Durch die Gnade des Herrn, der jene Worte eingab, drangen diese so tief in das Innerste von Johannes ein und erschütterten ihn so sehr, dass sich sofort ihre Kraft und Wirkung zeigte. Denn nach der Predigt ging Johannes hinaus und bat, völlig außer sich, Gott mit lauter Stimme um Erbarmen. Sodann warf er sich in Verachtung seiner selbst – so wie einer, der nun wirklich das schätzte, was geschätzt werden muss – wild zu Boden, schlug den Kopf gegen die Wand, riss sich die Barthaare und die Augenbrauen aus und tat noch manches, was leicht bei allen den Verdacht erwecken konnte, dass er den Verstand verloren habe. Er sprang und lief herum und wiederholte immer wieder die gleichen Worte. Als er so in die Stadt zurückkehrte, folgten ihm viele Leute, insbesondere Halbwüchsige; die ihn mit dem Ruf: „Nehmt euch vor dem Narren in Acht!“ begleiteten. Er ging bis zu seinem Haus, wo er den Laden und sein ganzes Hab und Gut hatte. Kaum war er dort angekommen, packte er die Bücher, die er besaß und zerriss mit Händen und Zähnen jene, die vom Rittertum und von weltlichen Dingen handelten. Diejenigen aber, die von Heiligenleben und von der christlichen Lehre handelten, verschenkte er mit offenen Händen an den Nächstbesten, der um der Liebe Gottes willen darum bat. Genauso verfuhr er mit den Bildern und mit allem, was er sonst noch im Haus hatte. Und da diejenigen, die von ihm etwas haben wollten, immer mehr wurden, stand er in kurzer Zeit ohne Geld und ohne jeden Besitz da. Denn er beschränkte sich nicht nur darauf, sondern zog auch die Kleider, die er am Leib trug, aus und verschenkte sie, bis ihm nur mehr ein Hemd und eine Hose blieben, die er behielt, um seine Blöße zu bedecken.
Und in diesem Zustand, fast unbekleidet, barfuß und ohne Kopfbedeckung, lief er erneut durch die Hauptstraßen von Granada, indem er mit lauter Stimme rief, dass er entblößt dem entblößten Christus folgen und ganz arm werden wollte für den, der sich arm gemacht hat, um seinen Geschöpfen den Weg der Demut zu zeigen, obwohl er doch der Reichtum aller Geschöpfe ist. So bat Johannes auf den Straßen von Granada den Herrn laut um Erbarmen und gelangte, gefolgt von vielen Leuten, die sehen wollten, was er tat, zur Hauptkirche. Dort warf er sich auf die Knie und begann laut zu rufen: „Erbarme dich, erbarme dich, Herr und Gott, dieses großen Sünders, der dich beleidigt hat!“ Und er kratzte sich das Gesicht auf, ohrfeigte und schlug sich, warf sich zu Boden und hörte nicht auf, zu weinen, zu schreien und den Herrn um Vergebung für seine Sünden zu bitten.
Das aufsehenerregende Verhalten von Johannes erweckte bei einigen hochgestellten Personen, die ihn sahen, Mitleid und da sie erkannten, dass es sich nicht um eine Geistesstörung handelte, wie man allgemein annahm, brachten sie ihn in die Wohnung von Pater Ávila, durch dessen Predigt er sich bekehrt hatte, und erzählten ihm alles, was sich nach der Predigt zugetragen hatte. Pater Ávila befahl allen Leuten, die mit Johannes gekommen waren, hinauszugehen und blieb mit ihm allein im Zimmer. Johannes warf sich vor ihm auf die Knie, berichtete ihm kurz über sein vergangenes Leben, beichtete mit deutlichen Zeichen der Zerknirschung seine Sünden und bat ihn, ihn unter seinen Schutz und seine Führung zu nehmen; denn der Herr hatte durch ihn begonnen, ihm eine so große Gnade zu erweisen. Er erklärte, dass er ihn von nun an zu seinem Vater und zum Propheten des Herrn nehmen wolle, und bereit war, ihm bis zum Tode zu gehorchen.
JOHANNES WIRD FÜR VERRÜCKT GEHALTEN
Pater Magister Ávila dankte unserem Herrn von ganzem Herzen für die deutlichen Zeichen der Zerknirschung, die er bei dem neuen Büßer sah, und freute sich über den ehrlichen Schmerz, den Johannes ganz offensichtlich darüber empfand, dass er Gott beleidigt hatte. Deshalb erklärte er sich bereit, ihn von nun an als geistlichen Sohn unter seine Fittiche zu nehmen und erbot sich, ihn nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten. Er sagte:
„Bruder Johannes, sucht Halt bei unserem Herrn Jesus Christus und vertraut auf seine Barmherzigkeit; denn da er dieses Werk begonnen hat, wird er es auch vollenden. Seid treu und standhaft in dem, was ihr begonnen habt! Wendet euch nicht um und lasst euch nicht vom Teufel überwältigen! Denkt immer daran, dass diejenigen, die als tapfere Ritter im Heer dieses Herrn bis zum Ende kämpfen, sich dereinst der ewigen Herrlichkeit mit ihm erfreuen werden. Diejenigen aber, die ihm aus Feigheit den Rücken zuwenden, werden in die Hände ihrer Feinde fallen und für immer verloren sein. Und wenn ihr betrübt und niedergeschlagen seid – was sicher vorkommen wird – wegen der Beschwerden und der Versuchungen, denen in der Regel die ausgesetzt sind, welche beginnen, die Schlachten des Herrn zu schlagen, dann kommt zu mir; denn da ich die Schläge und Wunden, unter denen ihr am meisten zu leiden haben werdet, sowie die Nachstellungen, mit denen euch euer Feind mit allen Mitteln bekämpfen wird, gut kenne, werdet ihr bei mir, mit der Gnade und der Hilfe unseres Herrn, die Medizin finden, die eurer Seele Heil und Genesung bringt, und neue Kräfte schöpfen, um gegen eure Feinde zu kämpfen. Und nun geht in Frieden mit dem Segen des Herrn und mit meinem, denn ich bin sicher, dass euch Gott seine Barmherzigkeit nicht versagen wird.“
Johannes von Gott ging zutiefst getröstet und ermutigt von den Worten und den guten Ratschlägen jenes heiligen Mannes davon und schöpfte daraus erneut die Kraft, um sich selbst zu verachten und sein Fleisch abzutöten. Zugleich erwachte in ihm erneut der Wunsch, dass ihn alle für verrückt, böse sowie jeder Verachtung und Schmach wert ansehen möchten, um so noch besser Jesus Christus dienen und gefallen zu können; denn er lebte nur für seine Augen und wollte auf diese Weise mit heiliger Vorsicht die Gnade verbergen, die er aus seiner Hand empfangen hatte. Aus diesem Grunde beschloss er, nachdem er von Pater Ávila weggegangen war, sich auf den Bibarrambla Platz zu begeben. Dort warf er sich zu Boden, wälzte sich in einer Schlammpfütze und begann, indem er immer wieder seinen Mund in den Schlamm steckte, mit lauter Stimme vor den Augen aller, die ihm zuschauten – und es waren viele –, seine Sünden zu bekennen, an die er sich erinnerte. Er rief aus: „Ich bin ein überaus großer Sünder gegen meinen Gott gewesen und habe ihn mit diesen und jenen Sünden beleidigt. Was verdient ein Verräter, der das getan hat, anderes, als von allen geschlagen und misshandelt zu werden und für den jämmerlichsten Menschen der Welt gehalten und in den Schlamm und Dreck geworfen zu werden, wo alle Abfälle hingehören?“
Alle Leute aus dem Volk, die das sahen, konnten nicht anders denken, als dass er den Verstand verloren habe. Er aber war inzwischen unwiderrufbar von der Gnade des Herrn entflammt und von dem Wunsch erfüllt, für ihn zu sterben und von allen verachtet und verspottet zu werden. Deswegen stieg er, damit alle dies täten – ihn verachten und verspotten – aus dem Schlamm, und begann, durch die Hauptstraßen der Stadt zu laufen, indem er wie ein Wilder herumsprang und so den Anschein erweckte, dass er verrückt sei.
Als die Halbwüchsigen und der Pöbel dies bemerkten, begannen sie, ihm zu folgen und ihn unter großem Gelächter und Geschrei mit Steinen, Kot und anderem Unrat zu bewerfen. Er aber ertrug alles mit großer Geduld und Freude, als wenn ein Fest gefeiert würde, empfand er es doch als ein großes Glück, dass sein Wunsch in Erfüllung ging, für den etwas erleiden zu dürfen, den er über alles liebte, ohne irgendjemand Böses zuzufügen.
Johannes trug ein hölzernes Kreuz in den Händen, das er allen zum Kusse reichte. Wenn ihn jemand aufforderte, die Erde aus Liebe zu Jesus zu küssen, gehorchte er sofort und tat dies, auch wenn sie sehr schmutzig war oder ein Kind ihn dazu aufforderte.
Er tat dies einige Tage lang mit solcher Inbrunst, dass er oft erschöpft und betäubt von den Beschimpfungen, Stößen und Schlägen, die er empfing, auf den Boden fiel. Er stellte sich nämlich so geschickt als verrückt dar, dass ihn fast alle wirklich für verrückt hielten. Zugleich war er so schwach wegen der ständigen Misshandlungen, die man ihm zufügte, und wegen der geringen Nahrung, die er zu sich nahm, dass er sich kaum noch auf den Füßen halten konnte. Trotzdem hatte er der Demütigungen noch nicht genug und bot mit heiterem Angesicht, ohne zu klagen oder zu widersprechen, seinen Leib den Steinwürfen und Schlägen der Halbwüchsigen dar.
Als ihn zwei rechtschaffene Männer der Stadt in diesem Zustand sahen, wurden sie von Mitleid ergriffen, nahmen ihn bei der Hand, entrissen ihn den Misshandlungen des Pöbels und brachten ihn in das Königliche Hospital. Dort wurden die Geisteskranken der Stadt eingewiesen und gepflegt. Sie baten den Verwalter, Johannes aufzunehmen und zu pflegen. Er sollte ihn in einem Raum unterbringen, wo er vor den Menschen in Schutz sei und Ruhe finde, damit er von der Geisteskrankheit heilen könne, die ihn befallen hatte.
Da der Verwalter Johannes in der Stadt herumgehen und all die geschilderten Leiden ertragen sehen hatte, nahm er ihn sofort auf und befahl einem Pfleger, ihn hineinzubringen.
Als sie sahen, wie übel er zugerichtet war, – die Kleider zerfetzt, den Körper voller Wunden und Striemen infolge der Hiebe und Steinwürfe –, nahmen sie sich unverzüglich seiner an. Zunächst bemühte man sich, ihn mit freundlichen Manieren wieder zu sich zu bringen und von seinem Irrsinn zu befreien. Da aber die Behandlung, die man gewöhnlich in diesen Häusern solchen Menschen zuteilwerden lässt, darin besteht, dass man sie auspeitscht, in Fesseln legt und ähnlichem, damit sie durch Schmerz und Strafe von ihrer Wildheit ablassen und zu sich kommen, banden sie ihm Hände und Füße, entkleideten ihn und gaben ihm mit einer doppelt geflochtenen Peitsche zahlreiche Schläge.
Seine Krankheit bestand aber nun darin, dass er von der Liebe Christi verwundet war. Deshalb begann er, damit sie ihm noch mehr Schläge gäben und ihn noch schlechter behandelten, folgendermaßen zu schreien: „O ihr Verräter und Feinde der Tugend! Weshalb behandelt ihr so übel und so grausam diese meine armen und unglücklichen Brüder, welche sich zusammen mit mir in diesem Haus Gottes befinden? Wäre es nicht besser, mit ihnen und ihren Leiden Mitleid zu haben, sie zu waschen und ihnen mit mehr Liebe und Barmherzigkeit zu essen zu geben, als ihr es tut? Zu diesem Zweck haben doch die katholischen Könige die Einkünfte gestiftet, die notwendig waren.“
Als die Krankenwärter dies hörten, glaubten sie, dass zum Wahnsinn auch noch Bösartigkeit hinzugekommen sei, und da sie ihn von beidem befreien wollten, fügten sie zu der vorgesehenen Strafe noch weitere schmerzhafte Schläge hinzu und gaben ihm viel mehr Schläge als denen, welche sie nur für verrückt hielten.
Aber auch so hörte er nicht auf, ihnen unter dem Deckmantel der Verrücktheit Vorwürfe zu machen wegen der Nachlässigkeit, mit der sie handelten, was ihm mit einer doppelten Tracht Prügel heimgezahlt wurde. Und so litt er Unsägliches, indem er im Stillen seines Herzens alles dem aufopferte, dem zuliebe er litt und für den er das alles auf sich genommen hatte.
Als Meister Ávila erfuhr, dass Johannes von Gott als Geisteskranker im Königlichen Hospital eingeschlossen worden war, sandte er, da er die Ursache seiner Krankheit sehr wohl kannte, sofort einen seiner Jünger zu ihm und ließ ihm ausrichten, dass er sich über seine Fortschritte sehr freue, sehe er doch, dass er begonnen habe, Christi zuliebe zu leiden. Er bitte ihn seinerseits, um desselben Herrn Jesus willen, sich wie ein guter und tapferer Soldat zu betragen, indem er sein Leben für seinen Herrn und König hinzugeben bereit sei, und mit Demut und Geduld alle Leiden zu ertragen, welche die göttliche Majestät ihm auferlege. Denn wenn er betrachte, was unser Heiland am Kreuz erduldet habe, dann werde ihm jeder Schmerz leicht erscheinen. Außerdem ließ er ihm sagen: „Rüstet euch jetzt, Bruder Johannes, da ihr Zeit habt, für den Augenblick, in dem ihr in die Welt zurückkehren werdet, um gegen die drei Feinde zu kämpfen, und habt Vertrauen zum Herrn, denn er wird euch nicht verlassen.“
Bruder Johannes empfand es als eine große Gnade und einen großen Trost, dass sein guter Vater, Meister Ávila, ihn besuchen ließ und sich an ihn erinnerte, während er, von allen vergessen, in jenem Gefängnis eingeschlossen war. Und es freute ihn sehr, dass er, außer dem Herrn, der einzige war, der an ihn dachte und ihn in seiner Bedrängnis tröstete. Deshalb weinte er vor Freude über die Gnade, die ihm der Herr erwies, und antwortete folgendermaßen: „Sagt zu meinem guten Vater, dass der Herr Jesus ihn mit einem Besuch beglücken und ihm all das Gute vergelten möge, das er mir erweist, und dass er hier einen Sklaven hat, den er in einem gerechten Krieg erworben hat und der auf Gottes Barmherzigkeit hofft. Obwohl ich ein schlechter und unnützer Knecht bin, möge er um der Liebe Christi willen nicht vergessen, mich in seinen Gebeten der göttlichen Majestät zu empfehlen; denn so lebe ich glücklich und hoffe, dass es mir nicht an seinem Beistand fehlen wird.“ Mit diesen und ähnlichen Worten besuchten sich die beiden heimlich und verstanden einander.
Die Krankenwärter des Hospitals hatten ein besonderes Auge auf Johannes und von Zeit zu Zeit, wenn sie ihn verändert sahen und er ihnen Anlass dazu gab, wie oben beschrieben wurde, scheuten sie sich nicht, ihn entsprechend wie die anderen zu züchtigen, denn dadurch beabsichtigen sie ihn zu heilen. Johannes empfing die Schläge frohen Mutes und rief aus: „Brüder, gebt es diesem verräterischen Fleisch, dem Feind alles Guten, das die Ursache aller meiner Sünden gewesen ist! Und da ich ihm gehorcht habe, ist es recht, dass wir beide büßen, weil wir beide gesündigt haben.“
Und wenn er sah, wie die anderen Kranken, die zusammen mit ihm als Geisteskranke eingeschlossen waren, gezüchtigt wurden, sprach er: „Jesus Christus möge mir die Zeit schenken und die Gnade gewähren, dass ich ein Hospital habe, in dem ich die armen Menschen, die verlassen und der Vernunft beraubt sind, sammeln kann, um ihnen zu dienen, wie ich es wünsche!“ Und unser Herr sollte ihm diese Bitte restlos erfüllen, wie wir später sehen werden. Nachdem nun einige Tage vergangen waren, seit Johannes von Gott im Hospital war und diese und viele andere Leiden ertrug, um besser den Willen und Wunsch, von dem er erfüllt war, zu verbergen und in die Tat umzusetzen, und zwar unserem Herrn in seinen Armen zu dienen, schien ihm die Zeit gekommen zu zeigen, dass er sich beruhigt hatte und in sich gekehrt war. Also dankte er Gott mit Tränen und Seufzern und sprach: „Gebenedeit sei unser Herr, denn ich fühle mich geheilt und frei und besser, als ich es verdiene, vom Schmerz und von der Angst, die ich in meinem Herzen während der vergangenen Tage spürte.“
Der Verwalter und die anderen Angestellten freuten sich sehr, als sie sahen, dass sich Johannes erholt hatte, und von ihm hörten, dass er sich besser fühlte. Deshalb nahmen sie ihm die Fesseln ab und erlaubten ihm, frei durchs Haus zu gehen. Ohne darauf zu warten, dass man ihm etwas sagte, machte sich Johannes daran, den Armen mit großer Liebe alle möglichen Dienste zu erweisen, indem er den Boden wusch und kehrte und die Toiletten reinigte.
Die Krankenpfleger waren ebenfalls sehr erfreut, als sie sahen, dass er die Krankheit so gut überstanden und wieder Vernunft angenommen hatte, ja dass er sie alle an Liebe und Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen übertraf. Und sie dankten unserem Herrn.
Während Johannes von Gott sich der Verrichtung dieser Dienste widmete, saß er eines Tages an der Pforte des Hospitals und dachte an seine Leiden und an die Gnaden, die er von unserem Herrn empfangen hatte. Es war der Tag der elftausend heiligen Jungfrauen. Plötzlich sah er, als er über die Felder blickte, am Hospital viele Menschen zu Pferd, zahlreiche Geistliche und viele andere geweihte Personen vorüberziehen. Sie trugen und begleiteten den Leichnam der Kaiserin, der Gemahlin Karls V., die soeben gestorben war und in der Königlichen Kapelle von Granada beigesetzt werden sollte. Als er erfuhr, worum es sich handelte, wurde er, angeregt von diesem Schauspiel, von dem Verlangen erfasst, auf der Stelle das Hospital zu verlassen und seine guten Absichten in die Tat umzusetzen, nämlich unserem Herrn in seinen Armen zu dienen, ihnen Speise und Trank zu verschaffen und die Verlassenen und Pilger aufzunehmen. Denn zu jener Zeit gab es in jener Stadt, die erst seit kurzem zurückerobert worden war, noch kein Hospital, in dem man Aufnahme finden konnte. Mit diesem Entschluss begab er sich zum Verwalter und sprach: „Bruder, unser Herr Jesus lohne dir das Almosen und die Liebe, die mir in diesem Haus in der Zeit meiner Krankheit zuteilwurde. Jetzt aber fühle ich mich, Gott sei Dank, wieder wohl und gesund, so dass ich arbeiten kann. Gebt mir deshalb, wenn ihr einverstanden seid, um der Liebe Gottes willen die Erlaubnis wegzugehen.“
„Ich hätte es vorgezogen“, sprach der Verwalter, „wenn ihr noch einige Tage in diesem Haus geblieben wärt, um euch zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen, seid ihr doch noch sehr schwach und erschöpft von der durchlittenen Krankheit. Aber da es euer Wille ist zu gehen, so geht mit Gottes Segen! Nehmt aber eine Bestätigung von mir mit, damit die Leute, wenn sie euch sehen, nicht wieder ins Hospital zurückbringen. Denn sie könnten glauben, dass ihr noch nicht von eurer Krankheit geheilt seid. So aber könnt ihr ungehindert gehen, wohin ihr wollt.“
Johannes nahm die Bestätigung dankbar an, freute sich aber insgeheim, dass man weiter an der Meinung festhielt, die man sich von ihm gebildet hatte, nämlich, dass er wirklich verrückt sei. Nachdem Johannes sich von allen im Hause verabschiedet hatte, wo man ihn inzwischen sehr liebgewonnen hatte, machte er sich in verschlissenen und notdürftigen Kleidern, barfuß und barhaupt auf den Weg zu Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Er wollte dort die Jungfrau Maria besuchen, um ihr für alle Hilfe und Gnade, die er empfangen hatte, zu danken und seine Bitte um Hilfe und Beistand für das neue Leben, das er beginnen wollte, zu erneuern. Er sagte nämlich, dass er immer deutlich ihre Gunst und Huld in all seinen Leiden und Nöten verspürt hatte.
Auf dieser Reise hatte er viel unter Hunger, Kälte und der ungenügenden Bekleidung zu leiden. Denn es war mitten im Winter, und da er kein Geld hatte, musste er das Essen erbetteln, und zudem war er barfuß.
Trotzdem hatte er die Gewohnheit, um nicht dem Müßiggang zu verfallen, jedes Mal, wenn er an einen Ort kam, wo er essen oder Halt machen wollte, sich ein Bündel Holz auf die Schultern zu laden und damit sofort zum Krankenhaus zu gehen, wenn es ein solches gab, um es den Armen zu stiften. Dann ging er sich das Wenige zu erbetteln, das er zu seinem Lebensunterhalt brauchte.
Kaum war er in Guadalupe eingetroffen, betrat er kniend die Kirche und mit großem Zutrauen und mit Tränen in den Augen legte er dem Herrn seine Nöte dar und dankte ihm für alles, was er empfangen hatte. Dann beichtete er und empfing die Kommunion. So verblieb er mehrere Tage, ganz dem Gebet hingegeben, bis ihm die Zeit zur Rückkehr gekommen zu sein schien.
Nach Abschluss seiner Pilgerreise machte sich Johannes auf den Rückweg nach Granada. Als er in Baeza eintraf, erfuhr er, dass sein guter Meister, Pater Ávila, sich gerade dort zum Predigen aufhielt, wie er es auch in anderen Städten und Dörfern zu tun pflegte. Kaum hatte er dies erfahren, ging er ihn sofort besuchen und setzte ihn von seiner Pilgerreise in Kenntnis. Pater Ávila empfing ihn mit großer Freude. Nachdem er einige Tage bei ihm verbracht hatte, bat er ihn zum Schluss um Rat, was er tun solle. Darauf antwortete dieser: „Bruder Johannes, kehrt nach Granada zurück, wo ihr vom Herrn gerufen wurdet. Er, der eure Absicht und euer Verlangen kennt, wird euch den Weg zeigen, auf dem ihr ihm dienen sollt. Haltet ihn bei allem, was ihr tut, stets vor Augen und bedenkt, dass er auf euch blickt, und handelt stets wie in der Gegenwart eines so großen Herrn. Sobald ihr in Granada ankommt, sucht euch sofort einen Beichtvater, der so ist, wie ich es euch gesagt habe, und der euer geistlicher Vater sein soll. Ohne dessen Rat sollt ihr nichts Wichtiges unternehmen. Solltet ihr dann in irgendeiner Sache meinen Rat brauchen, dann schreibt mir, wo immer ich mich auch aufhalte, und ich werde mit der Hilfe unseres Herrn alles für euch tun, wozu die Liebe mich verpflichtet.“ So verabschiedete sich Johannes von Gott von seinem Meister und machte sich auf den Weg nach Granada. Als er am Morgen in der Stadt ankam, besuchte er zunächst die heilige Messe. Dann begab er sich auf den Berg, um ein Bündel Holz zu sammeln. Als er damit zurückkehrte, schämte er sich so sehr, die Stadt damit zu betreten, dass er es nicht einmal fertigbrachte, durch das Mühlentor zu gehen, das noch ziemlich weit vom Verkehr der Stadt entfernt ist. Und so gab er es einer armen Witwe, die es zu brauchen schien.
Am nächsten Tag stand er, voller Scham über die Feigheit des Vortages, frühmorgens auf und kehrte nach dem Besuch der Messe auf den Berg zurück, um wieder ein Bündel Holz zu sammeln. Als er damit in die Stadt kam, überkam ihn erneut dieselbe Scham wie am Vortag. Also begann er, indem er sich Mut zusprach und zum Weitergehen zwang, seinem Leib wie folgt zuzureden: „Nun, Herr Esel, der ihr Granada nicht mit dem Holz betreten wollt, weil ihr euch schämt und eure Ehre nicht verlieren wollt, jetzt sollt ihr sie verlieren und werdet das Holz bis zum Hauptplatz tragen, damit euch ja alle, die euch kennen, sehen und erkennen können. Das wird euch helfen, den Stolz und Hochmut abzulegen, den ihr habt.“ Und so ging Johannes bis zum Platz. Da man ihn seit der Zeit seiner Geisteskrankheit nicht mehr gesehen hatte, waren die Leute, als sie ihn mit dem Holzbündel erblickten, recht erstaunt. und scharten sich zahlreich um ihn. Einige, die gern lachten und spotteten, riefen ihm zu: „Was ist los, Bruder Johannes, seid ihr jetzt Holzfäller geworden? Was habt ihr im Königlichen Hospital mit den Wärtern erlebt? Niemand kann euch begreifen, denn täglich ändert ihr euren Beruf und eure Lebensweise.“ Und so und mit anderen Worten machten sich die jungen Nichtstuer über ihn lustig.
Er ließ alles frohgemut über sich ergehen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, ja er lächelte sogar und gab ihnen, um an ihrem Spaß teilzunehmen und seinen Gewinn nicht einzubüßen, zur Antwort: „Brüder, das ist das Spiel des Taschenspielers, drei Galeeren und ein Schiff: Je mehr ihr seht, desto weniger werdet ihr verstehen.“
Mit diesen und ähnlichen feinen Wortspielen antwortete er freundlich allen, die ihn über sein Leben ausfragten, und verbarg so die Gnade, die er vom Herrn empfangen hatte. Er freute sich, dass man ihn für einen Taugenichts ohne Wert hielt und das gelang ihm gut, denn das Volk war weiterhin der Ansicht, dass das, was sie ihn tun sahen, eine Folge der Verrücktheit sei, bis sie dann endlich erkannten, welch große Frucht und welch guten Wein jener Same, der vergraben und vermodert war, hervorbrachte.
Es vergingen einige Tage, an denen er sich damit beschäftigte, Holz vom Berg herunterzuschaffen. Auf diese Weise besorgte er sich seinen Lebensunterhalt. Was ihm übrig blieb, verteilte er an die Armen, die er nachts, frierend und ohne Kleidung, über und über mit Wunden bedeckt und krank, auf dem Boden unter den Lauben liegend antraf. Als er sah, wie viele es waren, wurde er von Mitleid ergriffen und beschloss, ihnen mit noch größerer Entschiedenheit Hilfe zu verschaffen.
Von dem Entschluss beseelt, den Armen wirklich Trost und Hilfe zu verschaffen, sprach Johannes von Gott mit einigen frommen Personen, die ihm während seiner Leidenszeit geholfen hatten. Mit ihrer Unterstützung und ihrem Wohlwollen gelang es ihm, ein Haus am städtischen Fischmarkt in der Nähe des Bibarrambla Platzes zu mieten. Dort und in anderen Stadtteilen las er die Armen, die verwahrlost, krank und verkrüppelt auf den Straßen dahinvegetierten, auf, so viele er fand. Dann kaufte er einige Strohmatten und alte Decken, auf denen sie schlafen konnten – denn zu mehr als dieser Hilfe reichte sein Geld nicht – und sagte zu ihnen: „Brüder, sagt dem Herrn von ganzem Herzen Dank, denn er hat diese ganze Zeit auf euch gewartet, damit ihr Buße tut. Befragt euch, worin ihr ihn beleidigt habt, denn ich will euch einen Seelenarzt bringen, der eure Seelen heilen soll; für den Leib wird dann die Arznei nicht fehlen. Habt Vertrauen zum Herrn, denn er wird für alles sorgen, wie er es für die zu tun pflegt, die von sich aus das Ihrige beitragen.“
Sodann ging er weg und brachte ihnen einen Priester, bei dem er sie alle beichten hieß. Angesichts seiner großen Liebe ging nämlich jeder Priester, an den er sich wandte, gern mit ihm, um dieses gute Werk zu tun.
Danach ging er beherzt durch alle Straßen, wobei er mit großer Anstrengung einen mächtigen Korb auf seinen Schultern und zwei Töpfe in den Händen trug, die mit Schnüren befestigt waren, und rief unentwegt mit lauter Stimme: „Wer tut sich selbst Gutes? Tuet Gutes aus Liebe zu Gott, meine Brüder in Jesus Christus!“
Da er anfangs am Abend ausging, manchmal wenn es regnete, und zu der Zeit, wenn die Leute in ihren Häusern versammelt waren, beugten sich die Menschen verwundert über diesen neuen Bettelruf aus Türen und Fenstern. Es schien, als ob Johannes mit seiner mitleiderregenden Stimme und der Kraft, die der Herr ihm verlieh, das Herz aller Menschen anrührte. Außerdem waren sie alle tief betroffen von seiner schwachen, erschöpften Gestalt und von der Strenge seines Lebens, so dass ihm alle mit ihren Gaben, jeder nach seinen Möglichkeiten, entgegengingen und ihn mit großer Liebe und Hilfsbereitschaft beschenkten. Manche gaben Geld, manche ein Stück Brot oder ein ganzes Brot, andere gaben den Rest ihrer Mahlzeit, Fleisch und andere Dinge, indem sie es in die Töpfe legten, die er zu diesem Zwecke mit sich trug.
Wenn er sah, dass er genügend Almosen hatte, eilte er sofort zu seinen Armen zurück und rief noch an der Tür aus: „Gottes Gruß und Segen, Brüder! Betet zum Herrn für alle, die euch Gutes getan haben!“
Dann wärmte er, was er gebracht hatte, und verteilte es an alle. Wenn sie gegessen und für die Wohltäter gebetet hatten, spülte er allein die Teller und das Geschirr ab, reinigte die Töpfe, fegte und putzte das Haus und holte unter großer Anstrengung in zwei Krügen Wasser vom Brunnen. Denn da die Erinnerung daran, dass man Johannes für verrückt gehalten hatte, noch frisch war, und er immer noch einen bedauerlichen Eindruck machte, scheute man seine Gesellschaft und wollte ihm niemand helfen. So leistete er die ganze Arbeit allein, bis die Menschen ihn als das erkannten, was er war.
Da Johannes den Armen mit großer Liebe diente, kamen viele zu ihm. Da das Haus klein und die Zahl der Menschen groß war, reichte der Platz nicht für alle, die angezogen von seinem Ruf herbeiströmten oder die er selbst liebevoll auf den Straßen aufsuchte und zum Kommen einlud; denn viele konnten trotz ihrer Bitten in den anderen Hospitälern keine Aufnahme finden.
Angesichts dieser Not mietete er noch ein größeres und geräumigeres Haus. Dorthin brachte er auf seinen Schultern alle gehunfähigen Kranken und Armen ebenso wie die Liegen, auf denen sie und die Pilger schliefen. Hier konnte er für mehr Ordnung und Harmonie sorgen und sogar ein paar Betten für die Kränksten aufstellen. Außerdem stellte ihm unser Herr hier einige Krankenpfleger zur Seite, die ihm bei der Versorgung der Kranken halfen, während er fortging, um für sie Almosen und Arzneien zu erbetteln.
In dem Maß, in dem die Nächstenliebe in Johannes von Gott wuchs, wuchsen und vermehrten sich auch die Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände in seinem Haus Gottes; denn jetzt erkannten die Menschen, was da vor sich ging, und viele wichtige und hochgeachtete Personen aus Granada und der Umgebung begannen ihn hochzuschätzen, sahen sie doch, dass das, was er tat, Bestand und Ordnung hatte und er immer mehr vom Guten zum Besseren fortschritt.
Und als sie sahen, dass er nicht nur Pilger und verwahrloste Menschen aufnahm, wie er dies am Anfang getan hatte, sondern dass er auch Betten zur Pflege von Kranken aufgestellt hatte, begannen alle, großes Vertrauen zu ihm zu haben. Sie gaben ihm alles, was er für seine Armen brauchte, ja vertrauten ihm größere Almosen als gewöhnlich an und schenkten ihm Decken, Betttücher, Matratzen, Kleidungsstücke und vieles mehr.
Bald kamen Arme und Bedürftige aus allen Bevölkerungsschichten zu ihm, um ihn um Hilfe zu bitten: achtbare Witwen und Waisen, die sich heimlich an ihn wandten, Personen, die in Rechtsstreitigkeiten verwickelt waren, versprengte Soldaten, ebenso wie verarmte Bauern, deren Zahl immer größer wurde, da das Jahr karg war und nur eine spärliche Ernte erbrachte. Er half allen entsprechend ihren Nöten und schickte keinen ungetröstet weg. Denjenigen, denen er helfen konnte, half er sofort und voller Freude, die anderen tröstete er mit liebevollen und aufmunternden Worten, indem er ihnen zusprach, Vertrauen zu Gott zu haben. Er wollte nämlich, dass alle wieder neuen Mut schöpften und das gelang ihm auch. Denn so wunderlich es sich auch anhören mag: Es kam nie jemand zu ihm, ohne dass ihm der Herr das Wenige oder Viele zukommen ließ, mit dem er Hilfe leisten konnte. Damit nicht genug, begann er taktvoll zahlreiche Menschen zu besuchen, die aus Scham ihre Armut verheimlichten: ledige Mädchen, arme Ordensfrauen und Nonnen sowie Ehefrauen, die im Verborgenen Not litten. Auch sie versorgte er mit großer Sorgfalt und Liebe mit dem Notwendigen, indem er für sie wohlhabende Damen, die dazu in der Lage waren, um Hilfe bat und selbst für sie Brot und Fleisch, Fisch und Kohlen und alles andere, was für den Lebensunterhalt notwendig ist, kaufte. Denn sie sollten keinen Anlass haben, auf die Straße zu gehen, um sich diese Dinge zu verschaffen, sondern in der Zurückgezogenheit ihres Hauses bleiben und so ihre Tugend und Intaktheit wahren.
Und nachdem Johannes diesen Frauen das Notwendige für ihr leibliches Wohl verschafft hatte, besorgte er ihnen, damit sie nicht müßig seien, sondern arbeiteten, um sich selbst zu helfen und zu kleiden, aus den Häusern der Kaufleute den einen Seide zum Bearbeiten, den anderen Leinen zum Weben und Wolle. Dann setzte er sich ein wenig nieder, munterte die Frauen zur Arbeit auf und hielt ihnen eine kurze geistliche Ansprache, wobei er sie aufforderte, die Tugend zu lieben und das Laster zu meiden. Dabei bediente er sich bildhafter Darlegungen, die trotz ihrer Schlichtheit bis heute vielen, die sie gehört haben, im Gedächtnis geblieben sind, und stellte ihnen in Aussicht, dass sie auf diese Weise, außer der Gnade des Herrn teilhaftig zu werden, keinen Mangel an dem für das Leben Notwendigen leiden sollten. Außerdem versprach er den Fleißigsten eine Belohnung. Auf diese Weise veranlasste und regte er sie zu einem tugendhaften Leben und zum Dienst des Herrn an.
Bei diesem Werk wie auch bei allen anderen, denen er sich widmete, fehlte es nicht an missgünstigen Menschen, denn der Satan gibt nie auf, sei es persönlich oder durch seine Helfershelfer, gegen diejenigen zu kämpfen, die sich seiner Herrschaft entzogen haben und in den Dienst des Herrn getreten sind. Einige von diesen Leuten verhöhnten Johannes von Gott und lästerten hinter vorgehaltener Hand zu den anderen, dies alles sei lediglich ein Stück Tollheit, die ihm geblieben sei, seit er sich wie ein Verrückter auf den Straßen von Granada aufgeführt habe, und würde schon bald wieder zusammenbrechen, weil es keinen festen Grund habe. Darüber hinaus beobachteten sie ihn misstrauisch. Sie achteten argwöhnisch darauf, welche Häuser er betrat, erkundigten sich, was er dort tat und sagte; und spionierten ihm sogar im Verborgenen nach. Als sie dann mit eigenen Augen sein großartiges Beispiel sowie die Aufrichtigkeit und Heiligkeit seiner Worte und Taten sahen, waren sie verblüfft und verwirrt und mussten nun schweigen. Ja manche von ihnen, zollten ihm danach, wenn sie ihm begegneten, sogar Lob und gaben ihm Almosen. Bei alledem vergaß er nie seine Armen, denn ihnen galt seine Hauptsorge. Er tröstete sie mit Worten und versorgte sie mit dem Notwendigen, bevor er am Morgen das Haus verließ. Er ging erst weg, nachdem er genaue Anordnungen gegeben hatte, wie jeder seine Pflicht gegen sie erfüllen sollte, und sicher sein konnte, dass seine Gefährten, die er inzwischen zu diesem Zweck bei sich hatte, dies ordnungsgemäß ausführen würden. Dann ging er Almosen betteln bis zehn oder elf Uhr nachts.
Bruder Johannes von Gott war ein großer Verehrer des Leidens unseres Herrn Jesus Christus; denn da dies die Hauptquelle für unser Heil ist, hatte er in ihm großen Nutzen und Trost gefunden.
Da er nun von dem Wunsch beseelt war, die Hilfe, die er erfahren hatte, aus Liebe zu Gott auch seinem Nächsten zu bringen, machte er es sich zur Angewohnheit, am Freitag, dem Tag, an dem unsere Erlösung erwirkt wurde, in das Freudenhaus zu gehen, um zu sehen, ob es ihm gelinge, eine Seele aus den Krallen des Teufels zu befreien, in denen sich diese Frauen unwiederbringlich zu befinden scheinen. Kaum war er eingetreten, ging er zu derjenigen, die ihm am verworfensten schien und die am wenigsten daran dachte, von dort wegzugehen, und sagte zu ihr: „Meine Tochter, ich gebe dir so viel, wie dir auch ein anderer geben würde, ja sogar noch mehr. Ich bitte dich nur, mir in deinem Zimmer ein wenig zuzuhören.“
Nachdem sie das Zimmer betreten hatten, hieß er die Frau niedersitzen, während er selbst sich auf dem Boden vor einem kleinen Kreuz hinkniete, das er zu diesem Zweck bei sich trug. Dann begann er sich seiner Sünden anzuklagen, weinte bitterlich und bat unseren Herrn mit solcher Gefühlstiefe um Vergebung, dass er auch bei ihr Reue und Schmerz über ihre Verfehlungen erweckte. Dank dieser Fähigkeit gelang es ihm, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, so dass sie ihm zuhörte, und er begann, die Leidensgeschichte Christi zu erzählen, und zwar mit solcher Andacht, dass er sie zu Tränen rührte.
Danach sagte er zu ihr: „Schau, meine Schwester, wie viel du unserem Herrn gekostet hast, sieh, was er für dich erlitten hat! Sei nicht weiterhin selbst die Ursache deines Verderbens! Denke an den ewigen Lohn, den der Herr für die Guten bereithält, und an die ewige Strafe, die jene erwartet, die wie du in Sünde leben. Fordere ihn nicht noch mehr heraus, denn sonst wird er dich, wie es deine Sünden verdienen würden, vollends verlassen und du wirst wie ein harter und schwerer Stein in die Tiefe der Hölle stürzen!“
Solche Dinge und ähnliche gab ihm der Herr ein. Und wenn auch einige Frauen, die ob ihrer Laster verhärtet waren, sich nicht darum kümmerten, so empfanden doch andere mit der Hilfe Gottes Reue und zeigten sich bußfertig. Sie sagten zu ihm: „Bruder, Gott weiß, wie gerne ich mit euch ginge und den Armen im Krankenhaus dienen würde, aber ich habe mich hier verpflichtet und man wird mich nicht mit euch weggehen lassen.“
Darauf erwiderte er hocherfreut: „Meine Tochter, hab Vertrauen zum Herrn, denn er hat deine Seele erleuchtet und wird auch für dein leibliches Wohl sorgen. Denke daran, wie reich du beschenkt wirst, wenn du ihm dienst und ihn nicht mehr beleidigst, und fasse den festen Beschluss, lieber zu sterben als erneut der Sünde zu verfallen. Und nun warte auf mich, ich komme sofort wieder zurück.“
Dann ging er eilends zu den angesehenen Damen der Stadt, die er kannte und von deren Hilfsbereitschaft er wusste, und sagte zu ihnen: „Meine Schwestern in Jesus Christus, wisset, dass es eine Sklavin gibt, die in der Gewalt des Satans ist. Helft mir um der Liebe Gottes willen, sie zu befreien. Erlösen wir sie aus dieser beschämenden Sklaverei!“
Die Personen, an die er sich mit solchen Notfällen wandte, waren Menschen, die sich so sehr der Nächstenliebe verpflichtet fühlten, dass er selten einmal wegging, ohne ihre Hilfe empfangen zu haben.
Wenn er einmal nicht die nötige Hilfe fand, stellte er eine Empfangsbestätigung aus und verpflichtete sich, die Schulden für die jeweilige Frau, die er von ihrem Herrn wegführte, zu begleichen.
Er brachte sie sofort in das Krankenhaus und führte sie in die Abteilung, wo andere Frauen, die denselben Lebenswandel wie sie geführt hatten, gepflegt wurden. Denn er wollte, dass sie sahen, welchen Lohn die Welt ihresgleichen gab und welche Vergeltung diejenigen erwartet, die in diesem Gewerbe verbleiben. Manche hatten einen Kopf, der von Wundfäulnis schrecklich entstellt war und von dem man bereits Knochenstücke abtrennen musste. Bei anderen waren sonstige Körperteile zerfressen; diesen wurden mit einem Brennmittel und unter heftigsten Schmerzen Teile des Körpers entfernt, so dass sie hässlich und ekelerregend aussahen.
Danach versuchte er herauszubringen, wohin die Absicht jeder einzelnen neigte.
Denn manche von den Frauen, denen unser Herr eine größere Einsicht gab, wollten angesichts ihrer bisherigen Haltung sich von der Welt zurückziehen, um Buße zu tun. Diese brachte er in das Kloster der Klausurschwestern und versorgte sie mit dem Nötigsten. Anderen, die dafür nicht die Voraussetzungen hatten und zur Ehe neigten, verschaffte er eine Mitgift und einen Ehemann und verheiratete sie. Er verheiratete so viele, dass er das erste Mal, als er sich an den Hof begab, mit den dort gesammelten Almosen auf einem Schlag sechzehn trauen ließ, wie noch heute einige von den Betroffenen bezeugen, die inzwischen Witwen sind und in Ehren gelebt haben und leben.
Bei der Ausübung dieser Werke der Nächstenliebe musste Johannes von Gott auch viele Demütigungen und Leiden über sich ergehen lassen. Dabei zeigte er deutlich die große, ja heroische Geduld, welche unser Herr in seine Seele gelegt hatte.
Die meisten dieser Frauen werden nämlich durch ihren sündhaften Lebenswandel so unzugänglich, zerrüttet und unbelehrbar, dass viele Diener Gottes aus diesem Grund darauf verzichten, sich mit ihnen zu beschäftigen, obwohl ihnen ihre Verdammnis zu Herzen geht.
Wenn nun Johannes eine von diesen Frauen mitnehmen wollte, begannen die anderen zu schreien, ihn zu beschimpfen und mit Beleidigungen und Verleumdungen zu überschütten, indem sie behaupteten, dass er dies in schlechter Absicht tue. Er erwiderte darauf jedoch kein Wort, sondern ertrug es mit großer Geduld, ohne Böses mit Bösem zu vergelten. Im Gegenteil, wenn jemand diese Frauen zurechtwies und sagte: „Warum seid ihr so boshaft und gemein zu dem, der euch soviel Gutes tut?“, dann antwortete er bloß: „Lasst sie, sagt nichts zu ihnen, nehmt mir nicht meine Krone. Denn diese Frauen kennen mich und wissen, wer ich bin. Deshalb behandeln sie mich, wie ich es verdiene.“
Hier ist eine Begebenheit zu erwähnen, die uns ob ihrer Einmaligkeit und Denkwürdigkeit wohl mehr in Erstaunen versetzen als zur Nachahmung anregen wird. Dieser Vorfall lässt insbesondere seine glühende Liebe für das Heil der Seelen erkennen, von denen er wusste, dass sie nur um einen hohen Preis gewonnen werden konnten.
Eines Tages begab er sich wieder in das Freudenhaus und überredete einige Frauen dazu, ihr schlechtes Leben aufzugeben. Vier von ihnen gingen auf sein Angebot ein und, indem sie vorgaben, dass sie für die Vergangenheit sühnen wollten, sagten sie zu ihm, er müsse sie unbedingt in ihre Heimatstadt Toledo bringen, weil sie dort einige wichtige Gewissensangelegenheiten in Ordnung bringen müssten. Andernfalls könnten sie ihr sündhaftes Leben nicht aufgeben. Wenn er sie aber dorthin brächte, so versprachen sie ihm, würden sie es aufgeben und alles tun, was er ihnen anordne.
Als Johannes dies hörte und bedachte, dass er auf diese Weise vier Frauen auf einmal erlösen konnte, erklärte er sich mit dem Vorschlag einverstanden.
Da er nun einmal den Entschluss gefasst hatte, die Frauen nach Toledo zu bringen, richtete er die Reittiere und, was sonst noch nötig war, her und reiste – er selbst zu Fuß – zusammen mit ihnen ab. Dabei nahm er einen Mitarbeiter des Hospitals namens Johannes von Ávila mit, der ein umsichtiger und anständigen Mensch war und erst vor wenigen Tagen gestorben ist, nachdem er viele Jahre lang zur besten Zufriedenheit im Haus gearbeitet hatte. Er ist es, der mir bezeugte, was sich auf jener Reise zutrug.
Während sie mit diesen Frauen unterwegs waren, machten sich die Wanderer und die Leute, die ihnen begegneten, als sie zwei Männer in diesem Gewand mit vier solchen Frauen zusammen sahen, über sie lustig, verhöhnten sie, pfiffen sie aus und überschütteten sie mit Beleidigungen. Sie unterstellten ihnen, dass sie ein Verhältnis mit diesen Frauen hätten, und manch anderes mehr.
Johannes von Gott schwieg nur dazu und ertrug alles mit großer Geduld, auch als jener Johannes von Ávila ihm, erzürnt über das, was er sich da anhören musste, Vorwürfe machte und ihn fragte, was für einen Sinn denn diese Reise mit diesem verworfenen Gesindel habe, auf der sie so viele Beleidigungen ertragen müssten. Besonders empörte ihn schließlich, als er mit ansehen musste, wie eine von den Frauen bei der Durchreise durch Almagro einfach dort blieb und zwei andere, kaum waren sie in Toledo angekommen, fluchtartig verschwanden.
Da schimpfte der Diener noch mehr und sprach: „Auf was für einen Unsinn haben wir uns da eingelassen! Habe ich euch nicht gesagt, dass von diesem Gesindel nichts Anderes zu erwarten war? Lasst sie doch und kehren wir wieder nach Hause zurück, denn diese Leute sind doch alle aus demselben Holz geschnitzt.“
Er antwortete darauf mit Engelsgeduld: „Bruder Johannes, du bedenkst nicht, dass du, wenn du um vier Ladungen Fische nach Motril gereist wärst und auf der Rückreise drei verdorben wären und nur eine Ladung heil geblieben wäre, dass du dann auch nicht die gute Ladung samt den drei schlechten weggeworfen hättest. Nun gut, von den vier Frauen, die wir begleitet haben, bleibt uns eine, die guten Willen zeigt. Hab also Geduld um deines Lebens willen, und lass uns mit ihr wieder nach Granada zurückkehren. Vertrau auf Gott, denn wenn uns diese bleibt, dann war unsere Reise weder umsonst noch unser Gewinn gering.“
Und so war es auch. Denn die Frau, die unser Herr ihm gewährte, brachte er nach Granada zurück und verheiratete sie mit einem rechtschaffenen Manne. Sie hat in vorbildhafter Tugend und Frömmigkeit gelebt und lebt noch heute in Zurückgezogenheit als ehrbare Witwe. Sie hat ein so lobenswertes Leben geführt und ein solch gutes christliches Beispiel gegeben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass unser Herr sie auf diesem geheimnisvollen Wege zu sich führen wollte, damit sie ihn erkenne.
Die Nächstenliebe, mit der unser Herr seinen Diener beschenkt hatte, war so groß und überfließend, und die Werke, die daraus hervorgingen, so einzigartig, dass manche Menschen, die ihn eitlen Sinnes beurteilten, ihn für einen großen Verschwender hielten. Diese Menschen verstanden nicht, dass unser Herr ihn in den Weinkeller gestellt und dort mit seiner Liebe gezeichnet hatte. Tatsächlich war Johannes so betrunken von der Liebe Gottes, dass er nichts verweigern konnte, worum er in ihrem Namen gebeten wurde. Das ging so weit, dass er oft, wenn er nichts Anderes mehr hatte, sein armseliges Gewand hergab, mit dem er bekleidet war, und er nackt blieb; denn er war grenzenlos barmherzig zu allen anderen, aber unbarmherzig streng zu sich selbst.
In Anbetracht des Vielen, das er vom Herrn empfangen hatte, erschien ihm alles, was er tat und gab, als wenig und er fühlte, dass er immer noch und immer mehr schulde. So lebte er mit der den Heiligen eigenen Unruhe, sich auf tausendfache Weise für den hinzugeben, der so hochherzig und freigiebig zu ihm gewesen war. Die Menschen des Geistes haben in der Tat diese Besonderheit, dass sie sich angesichts der geistlichen Güter, mit denen sie beschenkt wurden, in solchem Reichtum und Überfluss empfinden, dass sie glauben, sie müssten immer allen geben. Deswegen ist Geben für sie immer etwas Schönes, doch sie selbst möchten nie etwas empfangen.
Johannes widmete sich den ganzen Tag mannigfachen Werken der Nächstenliebe, und wenn er am Abend nach Hause kam, ging er, so müde er auch war, niemals schlafen, ohne vorher alle Kranken, einen nach dem anderen, zu besuchen und sie zu fragen, wie sie den Tag verbracht hätten, wie es ihnen gehe und was sie bräuchten, wobei er sie mit herzlichen und liebevollen Worten an Leib und Seele aufrichtete. Dann ging er durch das Haus und kümmerte sich um die verschämten Armen, die auf ihn warteten, und versorgte sie mit dem Notwendigen. Nie schickte er jemand ohne Trost fort.
Allen gab er Almosen, wobei er auf nichts Anderes achtete, als dass sie ihn um der Liebe Gottes willen darum baten.
Einige warnten ihn: „Gebt Acht! Jener bettelt ohne Not.“ Johannes antwortete: „Er täuscht nicht mich. Möge er ruhig an sich selbst denken! Ich gebe ihm aus Liebe zu Gott.“
Wenn er einmal nichts zu geben hatte – denn es kam vor, dass er sich in eine Decke hüllen musste, weil er sogar sein Gewand verschenkt hatte –, dann gab er, um nicht nein sagen zu müssen, wenn man ihn um Hilfe bat, den Betreffenden einen Brief an einen Herrn oder an eine fromme Person mit, damit diese sich der jeweiligen Not annähmen.
Hier verdient eine Begebenheit Erwähnung. Als sich eines Tages der Marquis von Tarifa, Don Pedro Enriquez, in Granada aufhielt, begab sich Johannes von Gott in sein Haus, um Almosen zu erbetteln. Der Marquis saß gerade mit anderen Herrn beim Spiel. Sie gaben ihm 25 Dukaten. Als es nun Nacht geworden war, kehrte Johannes mit dem empfangenen Geld in das Hospital zurück.
Der Marquis hatte viel von der großen Nächstenliebe von Johannes reden gehört. Da er diese nun auf schelmische Weise auf die Probe stellen wollte, verkleidete er sich – Johannes von Gott hatte ihn nämlich nur dieses eine Mal gesehen –, ging ihm entgegen und sprach zu ihm, indem er sich vor ihn stellte: „Bruder Johannes, ich bin ein vornehmer Herr, aber arm und fremd hier. Ich halte mich hier wegen eines Prozesses auf und bin in großer Not, um meine Ehre zu wahren. Ich weiß von eurer Nächstenliebe, deshalb bitte ich euch, helft mir und bewahrt mich davor, eine Beleidigung gegen Gott zu begehen.“ Bruder Johannes, der die feinen Umgangsformen des Mannes bemerkt hatte, erwiderte, nachdem er seine Worte vernommen hatte: „Ich schenke mich Gott“ – denn so pflegte er zu sprechen –, „ich gebe euch das, was ich bei mir habe.“
Darauf steckte er seine Hand in die Tasche und gab ihm die 25 Dukaten, die sie ihm, wie erwähnt, geschenkt hatten.
Der Marquis nahm sie, bedankte sich und ging fort. Voller Bewunderung kehrte er zu den anderen Herren zurück und erzählte ihnen die Begebenheit. Da waren alle voll des Lobes über das Verhalten von Johannes und wunderten sich über eine solche Nächstenliebe. Obwohl Johannes nämlich für so viele Armen zu sorgen hatte, war er so freigebig zu einem einzigen gewesen, indem er auf die göttliche Vorsehung vertraute. Und sein Vertrauen wurde in der Tat nicht enttäuscht. Denn der Marquis schickte voller Betroffenheit über das, was er erlebt hatte, am folgenden Morgen einen Boten zu Johannes und ließ ihm ausrichten, er möge das Haus nicht verlassen, da er das Hospital besichtigen kommen wolle. Einmal dort, begann er mit ihm zu scherzen und sagte: „Stimmt es, Bruder Johannes, wie mir erzählt wurde, dass man euch gestern Nacht beraubt hat?“
Johannes antwortete: „Ich schenke mich Gott: Also hat man mich nicht beraubt.“ Nachdem sie sich lachend und scherzend eine Weile unterhalten hatten, sagte der Marquis schließlich: „Nun gut, Bruder, damit ihr den Diebstahl, den ihr erlitten habt, nicht leugnen könnt, hat Gott die Beute in meine Hände geraten lassen. Hier sind eure 25 Dukaten, dazu gebe ich euch noch 150 Goldmünzen. Seid ein anderes Mal vorsichtiger!“
Dann ließ er ihm noch 150 Laib Brot, 4 Schafe und 8 Hühner bringen und ordnete an, dass ihm dieselbe Menge, solange er sich in Granada aufhalte, jeden Tag geliefert werde. Danach ging er, zutiefst beeindruckt von der großen Masse der Armen, die im Hospital von Johannes Liebe und Hilfe erfuhren.
Bei einer anderen Gelegenheit bewies Johannes seine große Liebe, indem er sein Leben für die Brüder aufs Spiel setzte.
Eines Tages brach im Königlichen Hospital von Granada, das von den katholischen Königen Ferdinand und Isabella gestiftet worden war, Feuer aus und zwar so unerwartet und mit solch rasender Gewalt, dass der größte Teil des Hauses ein Raub der Flammen wurde. Kaum hatte sich die Kunde verbreitet, eilte Johannes von Gott herbei, um den Armen, die dort betreut wurden, Hilfe zu bringen. Da er sofort die große Gefahr erkannte, in der sie schwebten, handelte er unverzüglich und brachte praktisch allein alle Armen, die sich im Hospital befanden, Männer und Frauen, auf seinen Schultern in Sicherheit. Dann warf er mit beinahe übermenschlicher Geschwindigkeit alle Betten und alle Gegenstände, die er fand, aus den Fenstern. Nachdem er die Armen in Sicherheit gebracht hatte, stieg er in die oberen Stockwerke, wo die Gefahr am größten war, um bei den Löscharbeiten zu helfen. Dabei wurde er von den Flammen, die auf beiden Seiten emporschossen, umzingelt. Vor den Augen der großen Menschenansammlung, die ihm von unten zuschauten, erhob sich plötzlich so dichter Rauch, dass alle fest der Meinung waren, er sei bei lebendigem Leib im Feuer verbrannt. So ging durch die ganze Stadt das Gerücht, Johannes von Gott habe den Tod in den Flammen gefunden.
Kurz danach aber, als keiner mehr damit rechnete, sahen sie ihn unversehrt und unverletzt aus dem Haus kommen. Er hatte nur die Augenbrauen versengt, obwohl er doch mitten durch die Flammen durchgegangen war, zum Zeugnis des Wunders, das der Herr für ihn gewirkt hatte.
Diese Begebenheit wurde bezeugt vom Bürgermeister der Stadt, der damals im Amt war und das Ganze selbst miterlebte, sowie von vielen anderen angesehenen Personen, die anwesend waren. Und von ähnlichen Werken, die im Verlauf seines Lebens geschahen, könnte man noch viele berichten, aber wegen der Kürze müssen wir hier auf sie verzichten. Nur so viel sei gesagt: Wer immer auch sein Hospital betrat, konnte deutlich die beispiellose Nächstenliebe dieses Menschen erleben.
Er konnte in der Tat sehen, dass in diesem Haus Arme mit den verschiedensten Krankheiten, Männer wie Frauen, betreut wurden, ohne dass jemals irgendjemand abgewiesen wurde, wie dies bis heute praktiziert wird. Man sah dort Menschen, die vom Fieber geplagt waren, mit Beulen und Geschwüren bedeckt waren, Verstümmelte, unheilbar Kranke, Verwundete, Verstoßene, Kinder, die vom Schorf befallen waren – deren Johannes viele aufziehen ließ, die an der Pforte ausgesetzt wurden –, Geisteskranke und Beschränkte, um ganz zu schweigen von den vielen Studenten und verschämten Armen, die er in ihren Wohnstätten aufsuchte und unterstützte, wie bereits erwähnt worden ist.
Eine große Hilfe für viele Menschen schuf er außerdem dadurch, dass er einen eigenen Raum mit einer Feuerstelle einrichtete; wo während der Nacht Bettler und Pilger eine Schlafstätte und Schutz vor der Kälte finden konnten. Dieser Raum war so groß und klug verteilt, dass darin bequem mehr als 200 Arme Platz fanden. Alle genossen dort die Wärme des Ofens, der in der Mitte stand. Außerdem standen für alle einfache Schlafgelegenheiten zur Verfügung: manche schliefen auf Matratzen, andere auf Flechtwerk und wieder andere auf Strohmatten, je nach Bedarf, so wie man es heute noch in seinem Hospital macht.
Auf diese Weise vermied er, außer diesen Menschen zu helfen, viele Beleidigungen unseres Herrn. Denn indem er sie von den Plätzen wegholte, verhinderte er, dass Männer und Frauen zusammen die Nacht verbrachten. Einige nahm er sogar mit Gewalt mit und trennte die Frauen. Und so reinigte er die öffentlichen Plätze von diesen Leuten.
Die Sanftmut, welche die Soldaten Christi krönt und adelt, beherrschte das Herz dieses Heiligen so sehr, dass ihn trotz aller Widerwärtigkeiten, die ihm widerfuhren, nie jemand die Fassung verlieren sah oder ein zorniges Wort aus seinem Munde kommen hörte. Selbst angesichts der größten Beleidigungen und Angriffe blieb er stets ruhig und gelassen wie eben ein Mensch, der keinen anderen Willen hat als den unseres Herrn Jesus Christus, denn in seinem Kreuz sah er seinen einzigen Ruhm, wie man bei vielen Vorkommnissen sah, von denen wir nur einige berichten wollen.
Während Johannes eines Morgens auf der Suche nach Nahrung für seine Armen die hinunterging, ging ein vornehmer Herr in entgegengesetzter Richtung hinauf. Da nun die Leute zu dieser Zeit in der Stadt sehr zahlreich waren, besonders diejenigen, die auf dieser Straße von der Alhambra heruntergingen, stieß Johannes, ohne es zu merken, mit seinem Korb an diesen Herrn an und riss ihm dabei den Mantel von den Schultern. Der Mann drehte sich voll Zorn um und herrschte ihn an: „Du Tollpatsch! Kannst du nicht aufpassen, wo du hingehst?“
Johannes erwiderte sanftmütig: „Verzeiht mir, Bruder, ich habe nicht gemerkt, was ich angerichtet habe.“
Als nun der Herr hörte, dass Johannes ihn mit „Ihr“ anredete und ihn als Bruder bezeichnete, wie er es mit allen zu tun pflegte, geriet er noch mehr in Zorn, trat an ihn heran und versetzte ihm eine Ohrfeige.
Johannes von Gott sagte: „Es war mein Fehler. Deshalb verdiene ich Strafe. Gebt mir noch eine Ohrfeige!“ Als der Herr hörte, dass Johannes ihn weiterhin mit „Ihr“ anredete, rief er seinen Dienern zu: „Gebt es diesem ungezogenen Tölpel!“
Da der Vorfall inzwischen viele Leute angezogen hatte, trat ein angesehener Mann, der in der Nachbarschaft wohnte – sein Name war Juan de la Torre – aus dem Haus und sagte: „Was geht hier vor, Johannes von Gott?“
Kaum hatte der Mann, der ihn beschimpft hatte, seinen Namen gehört, warf er sich zu seinen Füßen nieder und sagte, er werde nicht eher aufstehen, bevor er ihm nicht die Füße geküsst habe, und rief: „Das ist der berühmte Johannes von Gott, von dem man überall spricht?“
Johannes von Gott richtete ihn vom Boden auf und umarmte ihn. Dann baten sie einander unter vielen Tränen um Verzeihung.
Der Herr wollte ihn zum Essen einladen, aber Johannes entschuldigte sich und sagte, er müsse weitergehen. Darauf schickte ihm der Herr 50 Golddukaten für seine Armen.
Auch bei einer anderen Gelegenheit bewies Johannes von Gott seine große Sanftmut. Um Almosen für seine Armen zu erbitten, war er in das alte Haus der Inquisition eingetreten, wo sich mitten im Hof ein mit Wasser gefülltes Becken befand. Unversehens näherte sich ihm ein übermütiger Page, gab ihm einen Stoß und warf ihn in das Becken; denn seit Johannes im Königlichen Hospital gewesen war, wurde er von manchen Leuten immer noch für verrückt gehalten und dementsprechend behandelt.
Er stieg, ohne zu zürnen, aus dem Becken und dankte dem Pagen vergnügt mit Worten und Gebärden für seine Tat. Alle, die das sahen, waren verwundert und schätzten ihn von nun an noch mehr.
Eine von den Frauen, die er aus dem Bordell befreit und verheiratet hatte, war so aufdringlich und ungeduldig, dass sie jedes Mal, wenn ihr irgendetwas fehlte, sofort zu ihm lief und es von ihm verlangte. Johannes bemühte sich, ihr jedes Mal das Gewünschte zu verschaffen und sie in allem zufrieden zu stellen. Eines Tages nun, als sie wieder einmal zu ihm ging, traf sie ihn in eine Decke gehüllt an; denn da er sonst nichts zu geben hatte, hatte er sein eigenes Kleid verschenkt.
Also sagte er zu ihr, dass er im Augenblick nichts habe und sie an einem anderen Tag wiederkommen solle. Da wurde sie, ungeduldig wie sie war, zornig und begann ihn unflätig anzuschreien: „Du schlechter Mensch, du Heuchler von einem Heiligen!“ Darauf sagte er: „Da nimm diese zwei Real, dann laufe auf den Platz und sage es nochmals mit lauter Stimme!“ Da beschimpfte ihn die Frau mit noch lauterer Stimme. Als er sie in diesem Zustand sah, sprach er:
„Früher oder später muss ich dir doch verzeihen, daher verzeihe ich dir sofort.“
Welch reiche Frucht seine Sanftmut im Leben der Menschen trug, konnte man am Tag seines Begräbnisses erleben. Da ging eben diese Frau zusammen mit anderen, die er ebenfalls aus ihrem sündhaften Leben befreit hatte, durch die Straßen und schrie und weinte, indem sie sich selbst bitterlich anklagte und Johannes von Gott pries. Sie bekannte reumütig ihre Schuld und Verfehlungen und erklärte, dass sie sehr schlecht gewesen sei, aber dank seinem guten Beispiel und seinen frommen Ermahnungen ihr schlechtes Leben aufgegeben habe. Und ihre Worte waren so rührend, dass alle weinten.
Johannes war so bescheiden, dass er stets gern von seiner Unzulänglichkeit, nie aber von seinen guten Taten sprach oder sonst etwas zu seinem Lobe erwähnte. Er lenkte das Gespräch immer so, dass es auf seine Verachtung und Demütigung hinauslief, und bemühte sich, dass es dem Nächsten zur Erbauung diente. Er mied jede Form von Anmaßung und Überheblichkeit, weil er darin Gift für das geistliche Leben sah.
Die Zahl der Menschen, die, angezogen vom Ruf und von der großen Nächstenliebe von Johannes von Gott, herbeiströmten, war so groß, dass das Haus, das er, wie erwähnt, hatte, sie nicht mehr fassen konnte.
Deshalb beschlossen einige angesehene und fromme Leute aus der Stadt, ihm ein Haus zu kaufen, in dem alle Platz hätten. Sie fanden eines in der Gomeles Straße, in dem früher ein Schwesternkloster gewesen war.
Dorthin brachte Johannes seine Armen und richtete er sich seine neue Wohnstatt ein. Er ordnete alles so gut, dass allen Hilfesuchenden die Nächstenliebe mit der gebührenden Würde und dem gebührenden Anstand erwiesen wurde.
Der Zustrom der Menschen, die ihn zu sprechen wünschten, war so groß, dass sie oft nicht einmal stehend Platz finden konnten. Johannes saß in der Mitte und hörte sich geduldig alle Nöte an, die ihm vorgetragen wurden. Nie schickte er jemand ungetröstet weg. Für alle hatte er eine Hilfe oder ein gutes Wort. Jeden Tag verließ er frühmorgens seine Zelle und rief an einer Stelle, von der alle im Haus ihn hören konnten, mit lauter Stimme: „Brüder, danken wir unserem Herrn, denn auch die Vöglein danken ihm.“ Dann verrichtete er die vier Gebete.
Dann kam die Reihe an den Küster, der von einem Fenster, von dem aus alle ihn hören konnten, die christliche Glaubenslehre vorlas, wobei alle, die dazu in der Lage waren, ihm antworteten. Gleichzeitig las sie ein anderer im geheizten Raum der Pilger vor. Bevor dann diese weggingen, ging Johannes zu ihnen hinunter und verteilte unter denen, die nur dürftig bekleidet waren, das, was die Verstorbenen hinterlassen hatten. Zu den jungen Leuten aber, die gesund waren, sagte er: „Auf, munter, Brüder, dienen wir den Armen Jesu Christi!“ Dann ging er mit ihnen in den Wald, um Holz zu sammeln, und ein jeder trug ein Bündel für die Armen zusammen. Lange Zeit hatte er solch junge Leute, die freiwillig und mit großer Hingabe sich Tag für Tag dieser Arbeit des Holzsammelns widmeten.
Die Ausgaben für das, was er tat, waren so hoch, dass die Almosen, die er in der Stadt bekam, nicht mehr ausreichten. So kam es, dass er, getrieben von seiner großen Nächstenliebe, dreihundert und bald vierhundert Dukaten Schulden machte.
Angesichts der anderen großen Nöte, die es in der Stadt gab, wollte er den Bürgern von Granada nicht immer zur Last fallen und Tag und Nacht Almosen von ihnen erbitten. Um sie deshalb eine Zeit lang in Ruhe zu lassen, ging er fort und wandte sich an einige Herren in Andalusien um Hilfe, die von ihm und seinen guten Werken gehört hatten; denn sein Ruf war inzwischen bis nach Kastilien gedrungen. Diese kamen ihm hochherzig zu Hilfe, so dass er seine Schulden begleichen konnte.
Am meisten von allen Herren in Andalusien und in Kastilien unterstützte ihn der Herzog von Sessa. Bereits von früher Jugend an zeigte dieser Edelmann ein besonders offenes Herz für seine Armen und sein Hospital und befreite ihn wiederholt von allen Schulden, die er in Granada hatte. Außerdem ließ er ihm zu allen höheren Festen des Jahres Schuhe und Hemden für seine Armen geben.
Ebenso handelte seine herzogliche Gemahlin, die ihm viele Almosen gab und ihn, wann immer es ihr möglich war, unterstützte. Sie wünschte nur, dass Johannes und seine Armen sie und ihren Gemahl unserem Herrn anempfahlen und für ihr ewiges Leben und Tröstung in den Leiden des irdischen Lebens beteten.
Als auch diese Hilfe nicht mehr ausreichte, beschloss Johannes, getrieben von dem Wunsch, niemand ohne Hilfe zu lassen und seine Schulden zu bezahlen, sich an den Hof zu begeben, der damals in Valladolid residierte, um den König und die großen Herren um Hilfe zu bitten. In seinem Hospital ließ er einen seiner Gefährten und Freunde, der ihn auf seinen Reisen begleitete, namens Anton Martin, zurück, der bis zu seiner Rückkehr die Armen und das Haus beaufsichtigen sollte. Kaum war Johannes am Hof angelangt, unterrichteten der Herzog von Tendilla und andere Herren, die ihn kannten, den König, berichteten ihm von den Taten von Johannes von Gott und führten diesen schließlich in den Palast.
Dort wandte sich Johannes an den König, indem er ihn folgendermaßen ansprach: „Herr, ich bin gewohnt, alle Brüder in Jesus Christus zu nennen. Ihr seid mein König und mein Herr, und ich muss euch gehorchen. Wie wollt ihr, dass ich euch nenne?“
Der König erwiderte: „Johannes, nennt mich, wie es euch beliebt!“
Da er nun damals noch nicht König, sondern erst Prinz war, sagte Johannes von Gott zu ihm: „Ich will euch guter Prinz nennen. Gott schenke euch einen glücklichen Herrschaftsantritt und eine gute Hand, damit ihr recht regieret, und dann ein gutes Ende, damit ihr euch rettet und den Himmel verdient.“ Und so sprach er längere Zeit mit ihm.
Darauf ließ ihm der König Almosen geben. Ebenso handelten seine Schwestern, die Prinzessinnen, die Johannes täglich besuchte. Von ihnen und ihren Hofdamen erhielt er viele Juwelen und Almosen, die er unter den Armen und Bedürftigen in Valladolid verteilte.
Unter den Damen war auch Frau Maria de Mendoza, die Gattin des Großkomturs Don Francisco de los Cobos, der unser Herr, nachdem sie Witwe geworden war, die große Gnade schenkte, ein sehr vorbildliches Leben zu führen. Sie teilte und teilt noch immer mit großer Freigiebigkeit ihr beachtliches Vermögen mit den Armen, indem sie Hospitälern und armen Nonnenklöstern reiche Pfründe zukommen lässt und immer wieder so große Almosen gibt und sich auch sonst so tugendhaften Werken widmet, dass man lange davon berichten könnte.
Da diese Frau von einer so großen Nächstenliebe erfüllt war, gab sie Johannes von Gott in der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in Valladolid voll Liebe und Herzlichkeit Unterkunft in ihrem Haus sowie Speise und alles andere Notwendige. Außerdem gab sie ihm große Almosen, die er den Armen, die heimlich litten, bringen sollte.
Er führte dies aus und verteilte die Almosen so gut, dass er bald ebenso viele Häuser von armen Männern und Frauen hatte, denen er Essen bringen musste, wie in Granada. Einige Bekannte sagten zu ihm, als sie sahen, wie er mit offener Hand die Almosen in Valladolid verteilte: „Bruder Johannes von Gott, warum hebt ihr das Geld nicht auf und bringt es euren Armen in Granada?“
Er antwortete: „Bruder, ob ich es hier oder in Granada verteile, bleibt sich letztendlich gleich. Worauf es ankommt, ist, Gutes für Gott zu tun und Gott ist überall.“
Nachdem er sich neun Monate am Hof aufgehalten hatte, kehrte er nach Granada zurück. Mit sich führte er einige Bankgutscheine, die ihm Frau Maria de Mendoza, der Marchese de Mondejar und andere Herren gegeben hatten, damit er seine Schulden bezahlen und für die Armen sorgen konnte.
Auf der Rückreise musste er viele Unannehmlichkeiten ertragen; denn er durchquerte barfuß lange, unwegsame Strecken, die mit Gestrüpp bedeckt waren. Seine Füße waren voller Risse und Sprünge wegen der Steine, an die er immer wieder stieß, sein Körper voller Abschürfungen.
Johannes trug nämlich ein raues, dickes Gewand auf dem bloßen Körper ohne Hemd darunter. Als er ankam, waren sein Gesicht, Hals und Kopf infolge der starken Sonneneinwirkung verbrannt, denn er ging ohne Kopfbedeckung und war nur von dem Wunsch beseelt, schnellstmöglich nach Granada zu gelangen, um seine Armen wiederzusehen und ihre Not zu lindern.
Als er in der Stadt eintraf, machte sich große Freude und Erleichterung sowohl bei den Einwohnern, die ihn innig liebten, als auch bei seinen Armen breit, die voll Sehnsucht auf ihn gewartet hatten, insbesondere die verschämten Armen und die Frauen, die er verheiratet hatte. Letztgenannte hatten am meisten unter seiner Abwesenheit gelitten, weil sie keinen anderen Vater noch sonst jemand hatten, der ihnen half.
Mit dem, was er vom Hof mitgebracht hatte, gelang es ihm, einen Teil seiner Schulden zu begleichen und die vielen neuen Nöte zu lindern, die er sah, besonders bei armen Frauen, die er verheiratete. Trotzdem verblieben ihm mehr als 400 Dukaten Schulden. Um nämlich den neuen Nöten Herr zu werden, machte er von neuem Schulden, denn sein Herz ertrug es nicht, einen Armen in Not ohne Hilfe zu lassen.
Aus diesem Grunde bedrückte ihn ständig der Gedanke, wie er sich von seinen Schulden befreien könnte. Dies schien aber unmöglich zu sein, denn kaum sah er irgendeine Not, gab er ohne Bedenken das, was er besaß.
Schon die gewöhnliche Arbeit, die Johannes von Gott zur Beschaffung von Almosen und zur Versorgung seiner Armen leistete, ohne die ständigen Anliegen der Leute und die ständigen Belästigungen zu erwähnen, stellte eine derart harte Buße und Abtötung dar, dass sie selbst für einen Menschen, der körperlich gesund und stark gewesen wäre und der es mit den menschlichen Kräften allein hätte ertragen können, eine kaum erträgliche Last bedeutet hätte.
Trotzdem begnügte sich Bruder Johannes von Gott nicht damit, sondern tötete seinen Körper, um ihn dem Geist gefügig zu machen, noch mit schweren Bußwerken ab, indem er ihm nicht einmal das Notwendigste zustand.
Er aß wenig und nur ein einziges Gericht. Wenn er nicht außer Haus war, wo man ihn oft zum eigenen Trost zum Essen einlud, nahm er immer ganz billige Speisen zu sich. Gewöhnlich aß er eine gekochte Zwiebel oder andere Speisen, die nur ganz wenig kosteten.
An den Fasttagen aß er noch weniger und frühstückte überhaupt nicht. Freitags nahm er nur Brot und Wasser zu sich. An diesem Tag hatte er außerdem die Angewohnheit, sich mit geknoteten Riemen bis aufs Blut zu geißeln. Diese Übung unterließ er nie, so müde und erschöpft er auch war.
Er schlief auf einer einfachen Matte auf dem Boden, wobei ihm ein Stein als Kissen diente, und deckte sich mit dem Überrest einer alten Decke zu. Manchmal verbrachte er die Nacht auch in einem ganz engen Raum unter einer Treppe auf einem der behelfsmäßigen Gefährte, das einem Gelähmten gehört hatte, und deckte sich mit seinen Sachen zu.
Er ging immer barfuß sowohl in der Stadt als auch auf all seinen Reisen, das Haupt entblößt und kahlgeschoren. Er trug kein Hemd noch andere Kleidungsstücke außer einem Mantel aus grauem, derben Tuch und leinene Hosen. Er ging immer zu Fuß und bediente sich weder auf Reisen noch sonst wo eines Reittieres, mochte er auch noch so müde und seine Füße übel zugerichtet sein. Auch bedeckte er sich, selbst wenn dichter Regen oder Schnee fiel, nie den Kopf. Dies hielt er so, angefangen von dem Tag, an dem er begann, unserem Herrn zu dienen, bis zu dem, an dem ihn dieser zu sich rief.
Trotzdem hatte er großes Mitleid mit den geringsten Leiden seiner Mitmenschen und bemühte sich, ihnen zu helfen, als ob er selbst in größter Bequemlichkeit lebte. Während er einmal spätabends, an einem stürmischen und dunklen Wintertag, auf dem Weg zu seinem Hospital die Gomeles Straße hinaufging, beladen mit dem gefüllten Bettelkorb und einem Armen auf den Schultern, den er kurz vorher auf dem Neuen Platz gefunden hatte, rann auf der Straße so viel Wasser herab, dass er samt dem Armen hinstürzte.
Angezogen vom Rauschen des Wassers und den Schmerzensrufen des Armen, trat ein angesehener Mann, der sich in Granada zu einem Prozess aufhielt, an ein niedriges Fenster, unter dem Johannes hingefallen war. Von dort hörte dieser, wie Johannes mit sich selbst haderte und sich mit dem Stock schlug, indem er sagte: „Ach, Herr Esel, seid ihr vielleicht ein Tölpel, Faulenzer, Nichtsnutz und Waschlappen! Habt ihr heute vielleicht nicht gegessen? Wenn ihr aber gegessen habt, warum wollt ihr dann nicht arbeiten? Seht ihr denn nicht, dass die Armen, für die ihr arbeitet, dringend etwas zum Essen brauchen? Seht doch, wie ihr diesen Armen zugerichtet habt, den ich trage und der fast zu Tode gekommen wäre.“ Mit diesen Worten richtete er sich mühsam wieder auf, – er war auf die Knie gefallen –, und setzte seinen Weg bis zu den Knien im Wasser watend fort.
Der Mann, der dies vernommen hat, bezeugte, dass Johannes dies alles in einer Weise sagte, dass niemand außer ihm ihn hätte hören können und auch er nur deswegen zum Zeugen dieser Worte wurde, weil er dem Vorfall ungesehen von seinem Fenster beiwohnte. Als er am folgenden Tag Johannes fragte, ob er sich beim Sturz verletzt habe, wehrte dieser ab und verharmloste das Geschehene. Und so handelte er immer. Jedes Mal wenn er einen Armen sah, lud er ihn, ohne auf fremde Hilfe zu warten, auf seine Schultern und brachte ihn unter größter Mühe in sein Hospital, da er selbst schwach und krank war.
Eine geheimnisvolle Begebenheit ist, wie Johannes von Gott zu seinem Habit und Namen kam, wiewohl diese Sache sorgsamst bedacht werden will. Denn wenn auch kein anderer Grund vorhanden ist, als dass dieser heilige Mensch sie beide getragen hat, so muss man doch eine große Ehrfurcht für sie haben, zumal sie von unserem Herrn gewollt waren, wie wir gleich sehen werden.
Die Sache trug sich folgendermaßen zu. Eines Tages speiste Johannes von Gott mit dem Bischof von Tuy, der sich gerade in Granada aufhielt. Als dieser ihn nach seinem Namen fragte, antwortete der Befragte, dass er Johannes heiße. Da sagte der Bischof zu ihm, er solle sich Johannes von Gott nennen. Darauf erwiderte dieser: „Wenn Gott es will.“ Seitdem nannten ihn alle Johannes von Gott.
Wenn Johannes von Gott seine Kleider einem Armen schenkte, pflegte er danach, die Lumpen des Armen anzuziehen.
Als der Bischof, der ihm den Namen gegeben hatte, ihn nun in einem so erbärmlichen Zustand und in so schäbige Lumpen gekleidet sah, sagte er zu ihm: „Bruder Johannes von Gott, nehmt eurem Leben zuliebe mit dem Namen, den ihr hier empfangen habt, auch ein neues Gewand mit! Denn das, was ihr zurzeit tragt, stößt diejenigen, die aus Ehrfurcht mit euch Umgang pflegen und euch an ihren Tisch laden wollen, wahrhaftig ab. Deshalb sollt ihr von nun an eine Weste und ein paar graue Hosen und darüber einen wollenen Mantel tragen. Tut dies zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.“
Johannes erklärte sich fügsam dazu bereit. Darauf ließ der Bischof sogleich das Gewand kaufen und legte es ihm mit eigenen Händen an. Und so ging Johannes, mit dem Segen des Bischofs, mit diesem Namen und diesem Gewand von dannen und wechselte beide nicht mehr bis zu seinem Tode.
Obwohl Bruder Johannes von Gott in besonderer Weise von unserem Herrn zu den Werken Marthas berufen worden war, denen er sich denn auch die meiste Zeit aufopferte, so vernachlässigte er dennoch die Werke Mariens nicht und widmete jeden freien Augenblick dem Gebet und der Betrachtung. Oft verbrachte er ganze Nächte unter Weinen und Klagen. Sein Klagen und Schluchzen, mit dem er unseren Herrn um Vergebung und um Hilfe für die Nöte bat, welche er sah, war so tiefgehend, dass er damit allen deutlich zeigte, dass das Gebet der Anker und das Fundament allen geistlichen Lebens ist. Denn im Gebet lassen sich alle Fragen vor Gott lösen, während ohne Gebet alles auf brüchigem Grund gebaut bleibt. Deshalb unternahm er nichts, ohne vorher alles persönlich unserem Herrn zu empfehlen oder es ihm anempfehlen zu lassen.
Auf diese Weise widersetzte er sich mit Erfolg dem Satan, so dass er immer als Sieger aus den vielen sichtbaren und unsichtbaren Kämpfen hervorging, die er mit ihm ausfocht. Von einigen dieser Kämpfe, mit denen unser Herr seinen Diener krönen wollte, will ich hier kurz berichten.
Als er eines Nachts in seiner Zelle betete, hörte ihn ein Diener, der in der Nähe schlief, laut seufzen, so dass dieser meinte, Johannes kämpfe mit jemandem. Aufgeschreckt von dem Lärm eilte er zu ihm und fand ihn kniend, völlig erschöpft und über und über in Schweiß gebadet, während er ohne Unterlass vor sich hinsagte: „Jesus, befreie mich vom Satan! Jesus, steh mir bei!“
Als der Diener sein Gesicht zu einem kleinen Fenster wandte, das auf die Straße hinausging, sah er eine furchterregende Gestalt, in der er den Satan zu erkennen glaubte. Er rief deshalb die anderen Bediensteten des Hauses herbei und sagte zu ihnen: „Seht ihr nicht, dass der Teufel dort am Fenster steht und Feuer aus dem Maul speit?“ Soviel diese aber auch schauten, so konnten sie doch nichts erblicken, da die Erscheinung sofort wieder verschwunden war. Bruder Johannes von Gott musste anschließend in ein Krankenzimmer gebracht werden, wo sie ihn acht Tage lang im Bett hielten, so mitgenommen und fertig war er durch das, was er erlebt hatte. Trotzdem ließ er kein Sterbenswort von dem verlauten, was ihm widerfahren war. Nur manchmal machte er das Kreuzzeichen und sprach zu sich: „Meinst du etwa, du Verräter, dass ich das aufgeben werde, was ich begonnen habe?“
Ein anderes Mal, wenige Tage später, als er im gleichen Zimmer bei verschlossener Tür kniend ins Gebet vertieft war, trat plötzlich eine Frau von wunderschöner Gestalt zu ihm. Johannes fragte sie, wie sie hereingekommen sei. Sie erwiderte: „Ich brauche keine Tür. Ich komme hinein, wo ich will.“ Darauf sagte er zu ihr: „Das ist unmöglich. Du kannst da nicht hereinkommen, außer du bist eine teuflische Erscheinung.“ Dann stand er auf, um nachzusehen, ob die Tür verschlossen war. Sie war verschlossen. Als er sich umdrehte, war die Frau verschwunden. Darauf eilte er sofort zu den Kranken und sagte unter Tränen zu ihnen: „Brüder, weshalb betet ihr nicht für mich, damit Gott seine schützende Hand über mich hält?“
Als er ein anderes Mal spät in der Nacht das Haus eines angesehenen Bürgers von Granada verließ, lief ihm plötzlich in einer Straße ein Schwein zwischen die Füße und brachte ihn zu Fall. Das Tier hinderte ihn im Anschluss hartnäckig am Aufstehen und zerrte ihn fast eine Stunde lang herum, indem es auf ihm herumtrampelte und ihn beschnüffelte, bis man ihm endlich aus dem Haus eines Arztes, der dort wohnte und Dr. Beltran hieß, zu Hilfe kam. Als man ihn fragte, was ihm zugestoßen sei, antwortete er, er wisse nur, dass man ihn gestoßen, zu Fall gebracht und im Schlamm herumgeschleift habe. Als man ihn in das Haus des Arztes bringen wollte, wollte er dies nicht, sondern bat, man möge ihn zu seinen Armen bringen. Man gehorchte ihm und er blieb dort über einen Monat, das Gesicht voller Schrammen und auch sonst übel zugerichtet und zerschlagen.
Ein anderes Mal, als er ein Krankenzimmer durch eine Tür, die sich in der Nähe einer Treppe befand, verließ, erhielt er einen Stoß von unbekannter Hand und stürzte von der Treppe in den Hof hinunter. Er rief aus: „Jesus steh mir bei!“ Auf den Lärm hin eilten die Leute aus dem Haus herbei und sahen, dass er schwer gestürzt war. Er aber stand nur auf, zog sich in sein Zimmer zurück, nahm ein Kreuz in die Hände und begann unter vielen Tränen zu beten und zum Kreuz zu sprechen.
Ein anderes Mal näherte sich ihm, während er nachts über einen Platz ging – er hatte nämlich die Angewohnheit, nachts um Almosen zu betteln – ein Mann und sagte zu ihm: „Gib mir Almosen!“ Johannes fragte ihn: „In wessen Namen bittest du mich darum?“ Da gab dieser keine Antwort und verschwand. Bald darauf stellte sich ihm derselbe Mann in einer anderen Straße wieder in den Weg und fragte: „Warum gibst du mir kein Almosen?“ Johannes antwortete ihm, er könne ihm keines geben, wenn er ihn nicht um Christi willen darum bitte. Bei diesen Worten versetzte ihm der Mann einen Faustschlag vor die Brust, so dass Johannes einige Schritte zurücktaumelte. Darauf verschwand der Mann.
Wieder ein anderes Mal, während er in seiner Zelle betete, hörten sie ihn schreien: „Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, hilf mir!“ Auf diesen Schrei eilten alle herbei und fanden ihn, als sie die Tür öffneten, die Hände um ein Kruzifix geklammert, auf den Knien liegend vor einem Bild der Verkündigung Mariens.
Als man ihn fragte, was geschehen sei, sagte er, er sei in die Luft gehoben und dann durch das Zimmer geschleudert worden. Dann sei er aus beträchtlicher Höhe auf den Boden gefallen und dort hart aufgeschlagen.
Man trug ihn sofort weg und brachte ihn in den Krankensaal mit den Armen. Der Zufall wollte, dass man ihn neben einen Kranken legte, der seit acht Tagen mit dem Tod rang.
Am folgenden Morgen sagte Johannes zu dem Kranken, der inzwischen das Bewusstsein wiedererlangt hatte: „Sag, du Verräter, warum bekennst du nicht die Wahrheit? Siehst du nicht, dass der Teufel bereits hier ist, um deine Seele zu holen?“
Da fragte ihn dieser, woher er das wisse: „Ich weiß es“, antwortete ihm Johannes, „und damit du weißt, dass ich es weiß, sage ich dir: Du hast zweimal geheiratet und beide Frauen sind noch am Leben. Außerdem hast du eine widernatürliche Sünde begangen, die du aus Scham nie gebeichtet hast. Beichte sie, denn Gott kennt sie, und du wirst Heil für deine Seele erlangen.“
Tiefverwundert sagte der Kranke, dass niemand auf der Welt außer ihm davon wisse, und bat ihn sofort flehend, ihm einen Beichtvater zu rufen. Johannes brachte ihm einen Franziskanermönch. Darauf beichtete der Kranke, empfing die heilige Kommunion und verschied unter deutlichen Zeichen glaubensvoller Reue und Ergebenheit.
In solcher Weise tat Johannes auch andere geheime Dinge kund, die unser Herr ihm offenbarte zum Wohl und Vorteil der Seelen seiner Armen, die er ihm anvertraut hatte. Durch sein Verdienst gewährte der Herr ihnen, sich von ihrem sündigen Leben zu befreien, wie man das von vielen Heiligen liest. Das trat deutlich in dem soeben dargestellten Fall wie auch bei anderen Gelegenheiten zu Tage. Ein Beispiel sei noch berichtet, das von glaubwürdigen Personen bezeugt wurde.
In seinem Hospital lag einmal eine kranke Frau, die bei vollem Bewusstsein in einem fort schrie und verlangte, man solle sie zum BibarramblaPlatz bringen und dort öffentlich herumschleifen. Als Johannes von Gott sie eines Nachts schreien hörte, ging er zu ihr hinauf und fragte sie: „Warum schreist du?“
Die Frau antwortete: „Weil ich will, dass man mich öffentlich herumschleift.“ Da sprach er zu ihr:
„Vertreibe den Dämon aus deinem Herzen und du wirst ab sofort nicht mehr verlangen, dass man dich herumschleift, denn ich weiß sehr wohl, dass du seit zehn Jahren in wilder Ehe lebst.“
Die Frau gestand, dass dies wahr sei und sie seit zehn Jahren nicht die Wahrheit gebeichtet habe. Darauf redete Johannes von Gott liebevoll auf sie ein und überzeugte sie, Gott um Vergebung zu bitten und ihre Sünden zu beichten. Die Frau tat, wie er ihr geheißen hatte, und starb eines christlichen Todes.
Ein anderes Mal, als Johannes selbst krank in einem Krankensaal des Hospitals lag, rief er einen Pfleger und befahl ihm, in den darüber liegenden Saal zu gehen und einem Kind, das im Sterben lag, eine Kerze in die Hand zu geben.
Der Pfleger ging hinauf und fand alles so vor. Er wunderte sich, dass Johannes das wusste, denn er selbst wusste nicht einmal, dass dieses kranke Kind dort lag. Er gab ihm die Kerze in die Hand und nach einer Stunde starb das Kind.
Eine Person, die mit Johannes vertrauten Umgang pflegte, erzählte, dass Johannes von Gott ihr mehrmals vorausgesagt habe, dass sie zwischen Freitag und Samstag sterben werde. Und so geschah es auch, denn sie starb eine halbe Stunde nach Mitternacht. Ebenso habe er vorausgesagt, dass dereinst viele in seinem Gewand den Armen in der ganzen Welt dienen würden. Wie wunderbar dies heute in Erfüllung geht, werden wir bei gegebener Gelegenheit zeigen.
Die große Liebe, die Johannes von Gott zu unserem Herrn empfand, erfüllte ihn mit dem glühenden Verlangen, ihn in all seinen Geschöpfen geehrt zu sehen. Deshalb setzte er sich bei all seinen Werken zum Hauptziel, den Ruhm und die Ehre unseres Herrn zu vermehren: Die Sorge für den Leib und das Leben sollte ein Mittel zum Heil der Seele sein. Wann immer er sich deswegen der leiblichen Nöte und Bedürfnisse eines Menschen annahm, sorgte er sich gleichzeitig um sein Seelenheil, wenn dies notwendig war. Er tat dies, so gut er konnte, mit heiligen und zu Herzen gehenden Ermahnungen und führte alle auf den Weg des Heils, indem er weit mehr als mit Worten durch seine lebendigen Werke die Menschen lehrte, die Eitelkeit der Welt und ihre Täuschungen zu verachten, das eigene Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus Christus nachzufolgen. All das geht deutlich aus der Darstellung hervor, die wir bisher von seinem Leben gegeben haben.
Seiner innigen Liebe zu Gott entstammte auch die große Sanftmut, mit der Johannes jedwede Beleidigung und jedwedes Unrecht ertrug, um so – als guter Kaufmann – daraus Gewinn zur Ehre Gottes zu erzielen, denn das war ja die Ware, mit der er handelte. Obwohl man diesbezüglich viele Beispiele erzählen könnte, möchte ich nur eine Begebenheit erwähnen, die mir von vertrauenswürdigen Personen berichtet wurde.
In Granada hielt sich einmal eine sehr schöne, aber arme Frau auf, die von auswärts gekommen war, um eine gerichtliche Angelegenheit zu erledigen.
Dieser Frau begegnete nun Johannes von Gott, als er in das Haus eines Rechtsanwaltes trat. Ihr Verhalten und die Sache, die sie betrieb, gaben ihm zu der begründeten Vermutung Anlass, dass sie in Gefahr sei, den Herrn zu beleidigen. Deshalb rief er sie zu sich und erkundete sich nach ihrem Leben. Nachdem sie ihm ihr Leben erzählt und ihre Nöte anvertraut hatte, sagte Johannes zu ihr:
„Liebe Frau! Um der Liebe Gottes willen, bitte tut, was ich euch sage, denn so werdet ihr am besten euch selbst und eurer gerichtlichen Angelegenheit helfen. Ich werde euch in ein Haus bringen, in dem einige Frauen in Zurückgezogenheit leben. Dort sollt ihr, in der Gesellschaft dieser Frauen, eurem Stand entsprechend in einem eigenen Zimmer mit allen Bequemlichkeiten wohnen. Ich aber werde euch zu essen bringen und eure Sache vorantreiben, damit ihr zurückgezogen leben könnt und nicht unter Gefährdung eurer Ehre auf die Straße zu gehen braucht.“
Die Frau nahm den Vorschlag freudig an, und Johannes brachte sie, wie versprochen, in ein ehrsames Haus, versorgte sie mit dem Notwendigen und trieb ihre Sache voran. Er ging sie immer wieder besuchen, brachte ihr Lebensmittel und unterrichtete sie über den Fortgang des Prozesses. Dabei bat er sie jedes Mal auf den Knien und unter Tränen, sie solle das Haus nicht verlassen, auf ihre Ehre achten und Gott nicht beleidigen. Für das Essen und für die Erledigung des Prozesses wolle schon er Sorge tragen.
Eines Abends, als es schon ziemlich spät war, kam er beim Sammeln von Almosen an diesem Haus vorbei, trat ein und fand die Frau, auffallend schön gemacht, allein in ihrem Zimmer. Angesichts ihrer Aufmachung und ihres Alleinseins zu dieser Stunde begann er sie heftig zu tadeln und redete so eindringlich auf sie ein, dass sie zu weinen begann. Dann ermahnte er sie an ihre Pflicht, gab ihr, was er ihr für ihren Lebensunterhalt zu geben pflegte und ging fort.
Jene Frau hielt nun, ohne jede Gottesfurcht, einen jungen Liebhaber hinter ihrem Bett versteckt, um mit ihm zu sündigen. Dieser vernahm alles, was im Zimmer vorfiel. Die Worte von Johannes von Gott und die große Liebe, mit der er sich um die Ehre Gottes und das Heil jener Seele sorgte, machten den jungen Mann derart betroffen, dass das Feuer dieser Liebe in ihm das Feuer der Begierde auslöschte. Als er deswegen sein Versteck verließ, hatte er tränenerfüllte Augen und war völlig umgewandelt. Er beschwörte die Frau, keusch zu bleiben, und Gott und diesem Heiligen nicht so schlecht zu vergelten, was er für sie tat; denn im Namen Gottes sorge er ja für ihren Unterhalt, lehre sie die Wahrheit und rate ihr das Beste. Darauf verließ er auf der Stelle jenes Haus und fasste den festen Entschluss, unseren Herrn nicht mehr zu beleidigen, sondern ihm zu dienen. Und er hielt, was er sich vorgenommen hatte; denn er änderte sein Leben und starb schließlich in vorbildhafter christlicher Frömmigkeit.
Daran können wir einmal mehr sehen, wie gütig und hochherzig unser Herr ist. Er ließ nicht zu, dass die Mühe, die sich sein Diener aus Liebe zu ihm machte, fruchtlos blieb; denn da jene Frau die große Gunst, die ihr angeboten wurde, nicht nutzen wollte (was ja die meisten dieser Frauen machen), sorgte Gott dafür, dass ein anderer diese Gnade empfing. Sagt er doch durch seinen Propheten Jesaja (Kap. 55): „Das Wort, das meinen Mund verlässt, es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.“
Die Strapazen und Mühen, die Johannes von Gott auf sich nahm, um die Leiden seiner Mitmenschen zu lindern, – sei es auf Reisen oder Ausgängen, bei denen er oft eisiger Kälte ausgesetzt war, sei es bei der alltäglichen Arbeit in der Stadt –, waren so kraftzehrend, dass er immer mehr verfiel. Da er sich wenig um seinen Zustand kümmerte, bereitete ihm seine zerrüttete Gesundheit häufig starke Beschwerden, die er, so gut es ging; vor seinen Armen zu verbergen suchte, denn sie sollten nichts davon merken und sich keine Sorgen um seine Gesundheit machen. Doch an einem gewissen Punkt war er so schwach, ausgelaugt und entkräftet, dass er es nicht mehr verbergen konnte.
In jenem Jahr war der Genilfluss infolge heftiger Regenfälle stark angeschwollen. Als Johannes von Gott erfuhr, dass das Hochwasser viel Holz und viele Baumstümpfe mit sich führte, beschloss er, – es war ein bitterkalter Winter –, mit Hilfe der gesunden Personen im Haus das Schwemmholz zu holen, damit die Armen Feuer machen und sich wärmen konnten.
Als er trotz seines angegriffenen Gesundheitszustandes in dieser kalten Jahreszeit ins Wasser stieg, erkältete er sich so sehr, dass sich sein Leiden verschlimmerte und er schwer erkrankte. In das Wasser war er deshalb gegangen, weil ein Junge, der mit den armen Leuten zum Holzsammeln gekommen war, sich in unvorsichtiger Weise zu weit in den Fluss hineingewagt hatte und von der Strömung erfasst und mitgerissen worden war. Obwohl Johannes bei dem Versuch, ihm zu Hilfe zu eilen, weit in das Wasser hineinging; ertrank der Knabe und konnte nicht mehr gerettet werden. Dieser Vorfall ging ihm so zu Herzen, dass sich sein Gesundheitszustand von Tag zu Tag verschlechterte.
Als nun die Zeit gekommen war, da unser Herr seinem Diener den Lohn und die Vergeltung für seine Mühen geben wollte, geschah folgendes: Während Johannes krank im Bett lag, gingen einige Personen, welche die selbstverständliche Bereitschaft, mit der Johannes für alle sorgte, nicht verstanden, in einem Anfall von dünkelhaftem Übereifer und Oberflächlichkeit zum damaligen Erzbischof von Granada, Don Pedro Guerrero, und berichteten ihm, dass sich im Hospital von Johannes von Gott Männer und Frauen jeder Art aufhielten, von denen manche ganz offenkundig arbeitsfähig seien und sehr wohl zur Arbeit gehen und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten, wenn sie nicht dort beherbergt würden. Außerdem weilten Frauen mit einem zwielichtigen Ruf im Haus, die Schande über Johannes brächten und das Gute, das man ihnen erwies, nicht zu schätzen wüssten. Er solle deshalb kraft seiner Autorität anordnen, diesem Zustand ein Ende zu setzen.
Als der Erzbischof, der ein vorzüglicher Hirte und ein eifrig um das Heil seiner Herde besorgter, geistlicher Vater war, dies vernahm, ließ er Johannes von Gott, nichtsahnend von seiner Krankheit, zu sich rufen.
Kaum hatte man Johannes verständigt, stand er trotz seines Zustandes sofort auf und begab sich unverzüglich zum Erzbischof. Sobald er vor ihm stand, küsste er ihm die Hand, empfing seinen Segen und sprach: „Was befehlt Ihr, mein guter Vater und Bischof?“ Der Bischof antwortete:
„Bruder Johannes von Gott, ich habe erfahren, dass in eurem Hospital Männer und Frauen von zwielichtigem Ruf aufgenommen werden, die gefährlich sind und euch mit ihrem schlechten Verhalten in Schwierigkeiten bringen. Daher schickt sie sofort weg und säubert das Hospital von derartigen Personen, damit die Armen, die ihr habt, in Frieden und Ruhe leben können und ihr nicht mehr von diesen Leuten belästigt und in Verruf gebracht werdet.“ Johannes von Gott hörte aufmerksam allem, was ihm sein Bischof zu sagen hatte, zu und erwiderte ihm darauf voller Demut und Ergebenheit: „Mein guter Vater und Bischof, der einzige schlechte, unverbesserliche und nutzlose Mensch, der es verdient, aus jenem Haus Gottes gejagt zu werden, bin ich. Die Armen, die bei mir im Hospital sind, sind gut. Von keinem weiß ich etwas Schlechtes. Da nun Gott die Bösen und Guten erträgt und Tag für Tag über allen seine Sonne aufgehen lässt, ist es nicht recht, die Verlassenen und Niedergeschlagenen aus ihrem eigenen Haus zu jagen.“
Der Erzbischof war von dieser Antwort sehr angetan, sah er darin doch die große väterliche Liebe und Zuneigung, die Johannes von Gott für seine Armen empfand, so dass er sie sogar entschuldigte und alle Verfehlungen, deren sie bezichtigt wurden, auf sich nahm. Als klugem und frommem Mann fiel es ihm nicht schwer, ihn zu verstehen und zu erkennen, dass man zu einem solchen Menschen in diesen und anderen Fragen volles Vertrauen haben konnte. Deswegen gab er ihm seinen Segen und sagte: „Bruder Johannes, gehet hin in Frieden mit Gottes Segen und betrachtet euch als Herr des Hauses in eurem Hospital. Ich ermächtige euch dazu.“
Darauf verabschiedete sich Johannes von Gott und kehrte in das Hospital zurück. Als er kurze Zeit später merkte, dass sich seine Krankheit zusehends verschlimmerte – er wurde von heftigen Fieberschauern geschüttelt und ahnte, worum es ging –, da nahm er unter Aufbietung der letzten Kräfte, die ihm Gott schenkte, ein leeres Heft und Schreibzeug und rief einen Mann, der des Schreibens kundig war. Mit diesem ging er in der Stadt von Haus zu Haus zu allen, denen er Geld schuldete, machte eine Aufstellung der Schulden und ließ den Betrag mit der entsprechenden Begründung aufzeichnen. Dabei kam es vor, dass Schulden zu Tage kamen, an die sich selbst die Gläubiger nicht mehr erinnern konnten. Nachdem er auf diese Weise Ordnung in seine Schulden gebracht hatte, ließ er sie anschließend noch in ein zweites Heft eintragen. Eines nahm er an seine Brust, das andere ließ er im Hospital aufbewahren, damit, wenn Gott ihn zu sich riefe und eines verloren ginge, das zweite dort auffindbar sei. Er wollte nämlich, dass alle Schulden ordnungsgemäß bezahlt würden. Das war sein Testament.
Nachdem dies erledigt war, begab er sich in seine Zelle zurück. Er war so erschöpft, dass er sich nicht mehr auf den Füßen halten konnte und sich ins Bett legen musste. Da er alsbald nicht mehr in der Lage war aufzustehen, bemühte er sich, den Armen, die sich an ihn wandten, durch die Zustellung von Bittschriften zu helfen. Und siehe da: Unser Herr sorgte für alles Notwendige in solcher Fülle, als wenn Johannes, wie er es früher gewohnt war, selbst Almosensammeln gegangen wäre. Denn alle Herren und Bürger halfen großzügig, als sie erfuhren, dass er krank war, und beschworen seinen Gefährten Anton Martin, Johannes von Gott in allem zu ersetzen, wozu er selbst nicht mehr in der Lage war.
Frau Anna Osorio, die Gemahlin des Stadtrates Garcia de Pisa, eine Frau von großer Frömmigkeit und vorbildlichem Lebenswandel, die Johannes von Gott aus diesem Grund sehr schätzte, stattete ihm, als sie von seiner Krankheit erfuhr, einen Besuch ab. Als sie sah, wie sehr er litt und wie wenig man sich um ihn dort kümmerte – zahlreiche Arme standen um ihn, so dass er keine Ruhe finden konnte, ohne dass er freilich widersprach –, da bat sie ihn eindringlich, er solle sich in ihr Haus bringen und dort pflegen lassen. Dort werde man ihm ein Bett geben und auch für alles andere sorgen. Denn bis jetzt lag er nur auf Brettern mit seinem Bettelkorb als Kopfkissen.
Obwohl er nach Kräften nach Ausflüchten suchte und inständig darum bat, ihn nicht von seinen Armen zu trennen, inmitten deren er sterben und begraben werden wollte, ließ er sich schließlich doch von der Frau überreden. Diese erklärte ihm nämlich, dass er, nachdem er allen Gehorsam gepredigt habe, nun selbst gehorsam sein und tun solle, um was man ihn aus gutem Grund um der Liebe Gottes willen bitte.
Man brachte einen Tragsessel, um ihn fortzubringen. Aber kaum hatte man ihn auf den Sessel gehoben, eilten alle Armen, die dazu in der Lage waren, aufgeschreckt von der Nachricht, dass man ihn wegbringen wolle, herbei, umringten ihn und wollten ihn, da sie sehr an ihm hingen, am Weggehen hindern. Da es aber lauter Leute waren, die dem eigenen Unglück und Leiden nichts als Klagen und Tränen entgegenzusetzen haben, begannen alle, Männer und Frauen, so herzzerbrechend zu schluchzen und zu weinen, dass selbst der hartherzigste Mensch zu Tränen gerührt gewesen wäre. Als Johannes die Unglücklichen so weinen sah, erhob er betrübt die Augen zum Himmel und sprach: „Meine Brüder, Gott weiß, wie gern ich mitten unter euch sterben würde. Aber da Gott will, dass ich sterbe, ohne euch zu sehen, so geschehe sein Wille!“ Dann erteilte er jedem einzelnen seinen Segen und sagte zu ihnen: „Lebt in Frieden, meine Kinder, und wenn wir uns nicht mehr wiedersehen, dann betet zu unserem Herrn für mich!“
Das Weh– und Klagegeschrei, das darauf erneut unter den Armen anhob, ging Johannes derart zu Herzen, dass er bewusstlos auf seinem Sessel zusammenbrach. Bei ihm hätte wohl auch schon viel weniger gereicht, liebte er seine Armen doch über alle Maßen.
Als er wieder zu sich kam, brachte man ihn, um ihm weitere Qualen zu ersparen, kurzentschlossen in das Haus jener Frau. Da er nun einmal begonnen und beschlossen hatte zu gehorchen, ließ er mit sich, um ein Beispiel des Gehorsams zu geben, alles geschehen, was man ihm anordnete. Obwohl er bis dahin, trotz seines elenden Zustandes, sein raues und armseliges Gewand nie gewechselt hatte, ließ er jetzt zu, dass man ihm ein Hemd anzog, ihn in ein Bett legte und sich seiner mit großer Liebe und Sorgfalt annahm, indem man ihm Ärzte und Arzneien sowie alles, was er sonst brauchte, verschaffte.
Hier wurde er nun von vielen angesehenen Personen und Herren besucht, die ihn, miteinander wetteifernd, mit Lob und lieben Worten überschütteten. Ihm sagte das überhaupt nicht zu, obwohl er für die Liebe, aus der sie dies taten, Verständnis hatte. Dazu kam, dass man ihn hinderte, seine Armen zu sehen. Vor das Haustor hatte man nämlich einen Wärter gesetzt, der sie nicht ins Haus lassen sollte, da Johannes bei ihrem Anblick jedes Mal weinte und sich bitterlich grämte.
Als der Erzbischof erfuhr, dass Johannes von Gott todkrank war, besuchte er ihn, stärkte ihn mit heiligen Worten und gab ihm Mut zum letzten Schritt. Bevor er sich verabschiedete, sagte er zu ihm, wenn ihn etwas bedrücke, solle er es ihm sagen, dann werde er ihm, wenn er könne, gerne helfen.
Johannes erwiderte: „Mein guter Vater und Bischof! Drei Dinge betrüben mich. Erstens, wie wenig ich unserem Herrn gedient habe, da ich doch so viel von ihm empfangen habe. Zweitens die Armen, für die ich zu sorgen begonnen habe, sowie die vielen anderen, die ihr sündhaftes und schlechtes Leben aufgegeben haben, und die verschämten Armen. Drittens die Schulden, die ich aus Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus gemacht habe und die es mir nicht gelungen ist zurückzuzahlen.“ Bei diesen Worten übergab er ihm das Heft, in dem die Schulden aufgezeichnet waren.
Der Erzbischof antwortete darauf: „Mein Bruder, was eure Befürchtung betrifft, ihr habet unserem Herrn nicht gebührend gedient, so vertraut auf seine Barmherzigkeit: Er wird mit den Verdiensten seines Leidens ergänzen, was ihr nicht zu leisten vermochtet. Für eure Armen übernehme ich die Sorge, so wie es mir meine Pflicht gebietet. Was eure Schulden betrifft, so übernehme ich auch sie hiermit in vollem Umfang und verpflichte mich, sie zu bezahlen. Außerdem verspreche ich euch, dies alles so zu tun, als wenn ihr es selbst tun würdet. Macht euch deshalb keine Sorgen, sondern denkt nur an euer Heil und überlasst euch unserem Herrn.“ Der Besuch und die Versprechen des Bischofs waren ein großer Trost für Johannes von Gott. Nachdem dieser noch andere aufmunternde Worte an ihn gerichtet hatte, küsste ihm Johannes die Hand und empfing seinen Segen. Danach verabschiedete sich der Bischof und ging noch das Hospital besichtigen.
Als sich die Krankheit immer mehr verschlimmerte, empfing Johannes das Bußsakrament, das er auch sonst immer häufig empfing. Darauf wurde ihm unser Herr zur Anbetung gebracht, weil ihm die Krankheit den Empfang der Kommunion nicht mehr gestattete. Schließlich rief er seinen Gefährten Anton Martin, dem er eindringlich die Armen, Waisen und Verschämten ans Herz legte und mit heiligen Worten auftrug, was er künftig zu tun habe.
Da er nun spürte, dass seine Stunde gekommen war, stand er vom Bett auf, kniete sich auf dem Boden nieder, umarmte ein Kreuz und sagte dann nach kurzem Schweigen: „Jesus, Jesus, in deine Hände übergebe ich mich.“ Nachdem er dies mit fester und klarer Stimme gesagt hatte, gab er seine Seele dem Schöpfer zurück. Er war 55 Jahre alt. Davon hatte er zwölf im Dienst der Armen im Hospital von Granada aufgeopfert.
Es trug sich nun eine wunderbare Begebenheit zu, wie sie sich, soweit uns bekannt ist, bei keinem anderen Heiligen außer beim ersten Eremiten Paulus ereignet hat: Nachdem Johannes von Gott gestorben war, blieb sein Körper etwa eine Viertelstunde lang, ohne umzufallen, aufrecht auf den Knien und er wäre bis heute in dieser Stellung geblieben, wenn die Anwesenden in ihrer Einfalt nicht geglaubt hätten, sie dürften ihn nicht erstarren lassen, wenn sie ihn bekleiden wollten. Deshalb ergriffen sie ihn, streckten ihn unter großen Schwierigkeiten, um ihn zu bekleiden, und löschten so auf immer die Spuren jener wunderbaren, knienden Haltung aus.
Bei seinem Tode waren zahlreiche hochgestellte Damen und vier Priester zugegen. Alle waren zutiefst beeindruckt von den geheimnisvollen Vorgängen dieses Sterbens, in denen sich doch so gut das Leben des Verstorbenen spiegelte, und dankten Gott dafür. Johannes starb am Samstagmorgen, eine halbe Stunde nach der Frühmette, am 8. März des Jahres 1550.
Beim Tod von Johannes von Gott ging eindrucksvoll in Erfüllung, was unser Erlöser Jesus Christus in seinem Evangelium (Mt 23) sagt: „Wer sich erniedrigt, wird erhöht werden.“ So wie er nämlich die ganze Zeit, die er unserem Herrn gedient hatte, einzig und allein darum bestrebt gewesen war, sich selbst zu entäußern, zu verachten und, wann immer und wo immer es ihm möglich war, an den niedrigsten Platz zu stellen, – wie deutlich an seinem Lebensweg ersichtlich wird –, so gefiel es nun unserem Herrn, zur Erfüllung seines Wortes, ihn im Leben und im Tod in einer Weise zu erhöhen und zu ehren, dass man fraglos sagen kann: Wohl keinem Fürsten, Kaiser oder sonstigem Herrscher der Welt wurde ein solch ehrenvolles und feierliches Begräbnis zuteil wie Johannes von Gott. Denn wenn auch zur Beisetzung mancher Fürsten genauso viele und vornehme Leute, oder noch mehr, geströmt sein mögen, so ist dennoch die innere Bewegung, mit der man jemand die letzte Ehre erweist, bei den einen und bei den anderen eine völlig andere.
Zur Beisetzung der Herrscher dieser Welt eilt man nämlich aus Gehorsam und um dem Nachfolger zu gefallen, manchmal auch auf Befehl, weil nun einmal der Gehorsam befohlen sein will. Bei Johannes von Gott war es anders. Denn da er so arm und verachtet war und nichts auf Erden besaß, darf man getrost davon ausgehen, dass bei den Menschen, die herbeieilten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, keines von diesen drei Dingen eine Rolle spielte, die nach den Worten von Johannes von Gott die Menschen der Welt blenden.
Als es nun Tag geworden war, verbreitete sich die Nachricht von seinem Tod. Daraufhin strömten scharenweise Menschen aus allen Bevölkerungsschichten herbei, und zwar so viele und so spontan, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Man bekleidete den Leichnam und bahrte ihn in einem großen Saal auf einem prunkvoll hergerichteten Bett auf. In dem Saal wurden drei Altäre errichtet, auf denen von allen Mönchen und Priestern der Stadt, denen es möglich war, Messen gefeiert wurden, bis man ihn zu Grabe trug. Zum Responsorium gingen alle zu seinem Leichnam. Um neun Uhr morgens waren bereits so viele Menschen zu seiner Beisetzung gekommen, dass sie weder im Haus noch auf den umliegenden Straßen Platz finden konnten.
Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Der Marquis von Tarifa und der Marquis von Cerralbo, Don Pedro de Bobadilla und Don Juan de Guevara, hoben den Leichnam auf ihre Schultern und trugen ihn hinunter auf die Straße. Dort kam es beinahe zum Streit darüber, wer ihn tragen dürfe. Da erschien ein verehrungswürdiger Franziskaner namens Carcamo, der im Ruf der Heiligkeit stand, mit anderen Mitgliedern seines Ordens und erklärte: „Dieser Leichnam muss von uns getragen werden, denn Johannes von Gott hat in seinem Leben in bezeichnender Weise unseren heiligen Vater Franziskus in Armut, Buße und Selbstentäußerung nachgeahmt.“ Und so ließ man diese heiligen Männer den Leichnam eine Zeitlang tragen. Dann folgten die Angehörigen aller anderen Orden, die ihn ebenfalls jeweils eine kurze Strecke trugen, bis der Zug zur Kirche Unserer Lieben Frau vom Siege gelangte.
Der Bürgermeister und die Gerichtsdiener sorgten für Ordnung unter der Menge, was angesichts der großen Menschenzahl dringend notwendig war. Der Leichenzug war folgendermaßen zusammengesetzt:
An der Spitze gingen die Armen seines Hospitals und ein Großteil der Frauen, die er verheiratet hatte; außerdem die armen jungen Mädchen und die Witwen, jede mit einer Kerze in der Hand. Alle weinten bitterlich und erzählten unter Wehklagen von den vielen Wohltaten und Almosen, die sie von Johannes von Gott empfangen hatten.
Dann folgten in der jeweiligen Rangordnung die zahlreichen Bruderschaften der Stadt mit großen Kerzen, Kreuzen und ihren Fahnen. Dann kamen die Geistlichen der Stadt und, in loser Ordnung, Ordensleute aus allen Ordensgemeinschaften, welche ebenfalls Kerzen in der Hand trugen. Sofort danach folgte das Kreuz der Pfarrei mit den Gemeindepfarrern, dann das Domkapitel, die Kanoniker und andere geistliche Würdenträger mit einem eigenen Kreuz, schließlich der Erzbischof, die Kapläne der Königlichen Kapelle und dann der Leichnam.
Dahinter gingen die vierundzwanzig Räte sowie die Geschworenen der Stadt und mit ihnen Ritter und Herren. Dann kamen alle höheren Beamten und Advokaten des Königlichen Gerichtshofes und danach noch eine unübersehbare Schar von trauernden Menschen. Denn nicht nur die Altchristen, sondern auch die getauften Mauren beweinten Johannes von Gott und lobpreisten in ihrer Sprache unter tausendfachen Segenswünschen seine Wohltaten, Almosen und sein gutes Beispiel. Man läutete alle Glocken der Hauptkirche und die Glocken aller Pfarreien und Klöster. Und sie läuteten so eindringlich und so schön, dass es schien, als hätten sie Verstand und brächten ihre Trauer in einer nie gehörten Weise zum Ausdruck.
Als man auf dem Platz vor der Kirche Unserer Lieben Frau vom Siege angelangt war, blieb der Zug mit dem Leichnam lange stehen. Denn wegen der vielen Menschen, die in die Kirche hineingehen wollten, entstand ein solches Gedränge, dass man lange warten musste, bevor man in die Kirche einziehen konnte.
Die große Verehrung, die Johannes genoss, führte dazu, dass die Leute, – bestürzt von dem Gedanken, dass sie ihn in diesem Leben nicht mehr sehen würden –, sich um seinen Leichnam drängten, um ihn ein letztes Mal zu sehen und zu berühren und einige Reliquien an sich zu nehmen. Niemand war in der Lage, sie davon abzuhalten. Einige berührten ihn in der Hoffnung auf Hilfe mit ihrem Rosenkranz, andere mit ihrem Gebetbuch oder mit anderen Gegenständen.
Der Andrang der Menschen, die sich unter lautem Wehklagen um den Toten scharten, war so groß, dass man sie in keiner Weise, weder mit Bitten noch durch Gewalt, entfernen konnte. Und wenn nicht Gott dafür gesorgt hätte, dass sie sich entfernten, hätten sie – manche hatten damit schon begonnen – den Sarg in Stücke gerissen, nur um eine Reliquie zu bekommen, und hätten so seine Bestattung verhindert.
Als es schließlich möglich war, trug man den Leichnam in die Kirche und legte ihn auf eine eigens dazu vorbereitete, reich geschmückte Bahre. Der Tote wurde von den Mönchen, die im Haus geblieben waren, feierlich in Empfang genommen, indem sie ihm mit ihrem General, der sich damals in Granada aufhielt, entgegengingen. Dieser feierte das Totenoffizium und die Messe, während ein anderer Mönch desselben Ordens eine ergreifende Predigt hielt, in der er von der Demut und von der Verachtung der Welt sprach und davon, wie unser Herr auf diesem Weg die Seinen erhöht.
An jenem Tag wurden, im Schein zahlreicher Fackeln und Kerzen, noch viele Messen gelesen. Schließlich wurde Johannes von Gott in einer Grabnische der Kapelle jener Frau Garcia de Pisa beigesetzt, in deren Haus er gestorben war. Und an den zwei darauffolgenden Tagen – Sonntag und Montag – wurde zu seinen Ehren die Messe auf dieselbe Weise, – mit derselben Feierlichkeit bei der Messhandlung und bei der Predigt –, gelesen. Gleichzeitig wurden weitere Messen gefeiert, denen viele Gläubige beiwohnten.
Über ein Jahr lang gab es in Granada keine Predigt, in der nicht von Johannes von Gott und von seinem Leben zur Veranschaulichung des Wortes Gottes und zum Vorbild für das Volk gesprochen worden wäre. Zwanzig Jahre nach jenem Tag traten ein paar Ritter, die ihn sehen wollten, in die Gruft und fanden ihn unversehrt. Nur die Nasenspitze war verwest. Darüber waren sie sehr verwundert, denn sein Körper war im Gegensatz zu anderen nicht einbalsamiert worden, um den Zerfall zu vermeiden.
Angesichts der großen Werke, die er vollbracht hat, und im Vertrauen auf die große Güte und Barmherzigkeit unseres Herrn, dürfen wir in frommer Weise glauben, dass Johannes von Gott heute in der Herrlichkeit Gottes lebt, die ja nach Gottes Wort Menschen wie ihm bereitet ist. Zu dieser möge Gott auch unsere Schritte lenken mit einem ebensolchen Leben und mit ebensolchen Werken, damit auch wir verdienen, für immer bei Ihm zu sein. Amen.
Wie bereits erwähnt, hatte Johannes von Gott, bevor er starb, das Hospital seinem Gefährten Anton Martin mit dem Auftrag anvertraut, es so zu leiten und für alles Sorge zu tragen, wie er es getan hatte.
Dieser erwies sich als gelehriger Schüler seines Meisters in der Sorge für die Armen und in der Liebe zu ihnen. Nachdem er einige Tage die ihm übertragene Aufgabe im Hospital mit großer Gewissenhaftigkeit wahrgenommen hatte, beschloss er angesichts der Nöte des Hauses an den Hof zu gehen, um dort, wie einst Johannes von Gott, die Herren und die Großen um Almosen zu bitten, damit das begonnene Werk erhalten und fortgeführt werden konnte.
Am Hof rieten ihm einige fromme und einflussreiche Personen zur Gründung eines Hospitals seines Ordens in Madrid, wo ein solches dringend notwendig war, damit auch dort die Armen und Kranken mit Liebe und Umsicht gepflegt würden. Zu diesem Zweck stellten sie ihm umfangreiche Hilfen in Aussicht. Er folgte dem Rat, und man begann mit dem Bau dort, wo es heute noch steht. Es heißt „Anton Martin Krankenhaus“ und ist, wie alle wissen, eine große und bedeutende Einrichtung, in der zahlreiche Armen betreut werden und viele Brüder des nämlichen Ordens wie in Granada wirken, mit dem einzigen Unterschied, dass die Farbe des Habits, den sie tragen, ein wenig dunkler ist als in Granada. Außerdem tragen sie den Bettelkorb unterm Arm und nicht auf der Schulter, denn sie sagen, sie würden sonst mit ihnen die Ritter und die vornehmen Personen anrempeln, mit denen sie verhandeln und derer es dort viele gibt.
Nachdem das Werk in Madrid begonnen und bis zu einem zufriedenstellenden Punkt fortgediehen war, kehrte Anton Martin nach Granada zurück und brachte viele Decken, Leintücher, Wäsche sowie andere Almosen in Geld für das Hospital mit. Sofort nach der Ankunft erstattete er Erzbischof Don Pedro Guerrero über die Lage des entstehenden Hospitals in Madrid Bericht. Mit dessen Erlaubnis kehrte er dann dorthin zurück und widmete sich bis zu seinem Tod in vorbildhafter Weise den heiligen Werken der Hospitalität und der Buße. Denn er war ein sehr großer Büßer und gab mit seiner aufrechten Lebensweise ein großes Beispiel.
Da er schon während seines Lebens bei allen im Ruf der Heiligkeit stand, kamen zu seinem Begräbnis alle Herren und alle Großen des Hofes, so dass es zu einem sehr feierlichen Moment wurde. Man bestattete ihn in einer Hauptkapelle des Klosters des heiligen Franziskus in Madrid, wo er im Herrn ruht.
Aber kehren wir wieder zu unserer Geschichte zurück. Als Anton Martin aus Granada wegging, blieben im Hospital andere Brüder zurück, von denen ich später genauer berichten werde. Denn da sie sich in allem und jedem als würdige Nachfolger jenes heiligen Mannes erwiesen, verdienen ihr Leben und ihre Taten unbedingt bekannt zu werden.
Diese Brüder führten und verwalteten das Krankenhaus getreu der Art ihres Meisters, wobei stets ein älterer Bruder als Oberer das Haus leitete, während die anderen ihm gehorchten.
Da die Zahl der Armen, die mit allen möglichen Krankheiten ins Hospital kamen, immer größer wurde und man keinen von ihnen abwies, wie es seit jeher und noch heute dort Brauch ist, reichte schon bald der Platz nicht mehr für alle. Der Platzmangel wurde schließlich so groß, dass sich immer dringender die Notwendigkeit stellte, ein größeres Haus zu suchen, in dem alle bequem Platz finden konnten.
In dieser Not wandten sich die Brüder an Erzbischof Don Pedro, der sich nicht lange bitten ließ und angesichts der Dringlichkeit der Sache sofort mit allen Kräften half. Nachdem er sich ein Bild von der Lage gemacht hatte, sann er eilends nach Abhilfe und überlegte, wo man am besten einen geeigneten Platz mit genügend Raum für diesen Zweck finden könnte, der für alle bequem, entweder in der Nähe der Stadt oder etwas außerhalb wegen der frischen Luft, zu erreichen sei. Am Ende schien ihm kein Platz geeigneter als der, wo jetzt das Krankenhaus steht. Es handelte sich um ein der Stadt gehörendes Grundstück, das an ein anderes grenzte, welches sich im Besitz der Hieronymitenmönche befand und auf dem, wie man sagte, einst das alte Kloster des heiligen Hieronymus stand.
Der Bischof nahm also Verhandlungen mit der Stadt und mit den Mönchen auf, damit sie in Anbetracht der Wichtigkeit dieses gemeinnützigen Werkes jeweils ein Stück ihres Grundes abträten, auf dem dann mit seiner Hilfe das Krankenhaus errichtet werden sollte. Was sonst noch notwendig war, sollte mit Spenden der Gläubigen gedeckt werden, die zu diesem Zweck gesammelt werden sollten. Außerdem sollten die Mönche einen bestimmten Nachlass zur Verfügung stellen, den ihnen ein Bischof von Guadix namens Antonio de Guevara y Avellaneda bei seinem Tod ausdrücklich für die Armen und mildtätige Zwecke in Granada hinterlassen hatte. Denn da es gegenwärtig kein mildtätigeres Werk gebe, sei der Nachlass hier bestens verwendet.
Nachdem man sich solcherweise geeinigt hatte, konnte das Werk begonnen werden. Der Erzbischof stiftete sofort 1.600 Dukaten, Pater Ávila, der sich damals in der Stadt aufhielt, förderte das Werk ebenfalls von der Kanzel und rief alle auf, es tatkräftig mit Spenden zu unterstützen. Der Einfluss und die Beliebtheit dieses Mannes beim Volk waren so groß, dass bald alle, wie dereinst bei Moses, eifrig am Bau und Schmuck des Zeltes Gottes mitwirkten.
Einige spendeten Geldbeträge, andere stellten Baumaterial und Arbeitskräfte zur Verfügung und wieder andere schenkten Kleider. Die Frauen opferten ihre Armspangen, Ohrringe, Ringe und sonstige Schmucksachen mit solcher Begeisterung und Hingabe, dass binnen kurzem eine stattliche Spendensumme zusammenkam und das Werk rasch wuchs.
So wurden die drei jetzt vorhandenen Teile gebaut. Der Erzbischof gab Geld, damit rasch Fenster, Türen und Trennwände eingesetzt werden konnten, denn die Armen sollten, wie es auch geschah, baldmöglichst in die neuen Säle, wo sie jetzt noch sind, gebracht werden, obwohl das Werk noch nicht vollendet war. Schuld daran war der Satan, der nie schläft und jede Gelegenheit nutzt, um Streit zu säen. Als dieser sah, wie prächtig dieses Werk im Dienst des Herrn gedieh, brachte er seine Finger ins Spiel und ließ mit den gewohnten Mitteln Zwistigkeiten zwischen den Hieronymiten und den Brüdern entstehen, die bis heute andauern, ohne dass sie geschlichtet werden konnten. Darauf will ich aber nicht weiter eingehen, denn solche Dinge dauern sehr lange auf dem Gerichtsweg. Würde man sie aber mit den Augen Gottes sehen, dann wären sie rasch gelöst. Wie viele gute Werke kommen doch aus diesem Grund zum Stillstand. Aber überlassen wir das Gott und sprechen wir wieder vom Orden der Brüder.
Das große Lebensbeispiel, das Johannes von Gott hinterließ, hatte eine derart große und mitreißende Wirkung auf die Menschen, dass viele sich gedrängt fühlten, ihn nachzuahmen, und in seine Fußstapfen treten wollten, um, wie er, unserem Herrn in seinen Armen zu dienen und ihr Leben als gottgeweihte Männer der Hospitalität zu widmen. Dazu bedarf es keiner Gelehrsamkeit und keiner Studien. Alles, was notwendig ist, ist, dass man der Welt und sich selbst entsagt und eine große Nächsten und Gottesliebe hat. Aus diesem Grund fühlen sich, heute wie gestern, Personen jeden Alters und Standes zu diesem Leben berufen. Vielfach handelt es sich um solche, die für andere Orden nicht in Betracht kommen, weil ihnen die notwendige Bildung fehlt. Bei ihrer Aufnahme geht man folgenderweise vor:
Bevor man sie ins Hospital zulässt, prüft man, ob sie von der rechten Absicht geleitet sind, unserem Herrn zu dienen. Wird diese Absicht festgestellt, nimmt man sie auf, gibt ihnen ein bescheidenes Gewand in grauer Farbe und setzt sie in einer gewissen Aufgabe, die ihnen zugewiesen wird, beim Dienst an den Armen ein. Dies dauert längere Zeit, bei manchen zwei, bei anderen drei, bei wiederum anderen sogar sechs Jahre, je nachdem wie lange es notwendig erscheint. In dieser Zeit werden sie auf ihre Demut und Rechtschaffenheit geprüft. Bestehen sie die Probe, empfangen sie, nachdem sie den älteren Bruder und den Rektor darum voller Demut gebeten haben, das Ordenskleid. Erst nach weiteren Jahren der Erprobung werden sie dann zur Profess zugelassen.
All das, ebenso wie ihre Art zu leben und zu handeln, geht klar aus den Ordenskonstitutionen hervor, die später aufgeführt und deshalb hier nicht weiter behandelt werden sollen.
In dem Haus in Granada halten sich gewöhnlich achtzehn bis zwanzig Brüder auf. Ein Teil von ihnen versorgt und betreut die Armen in den Krankenabteilungen, während andere sich um die Haushalts- und Wirtschaftsführung kümmern. Wieder andere gehen durch die Stadt, um nach einer genauen Aufteilung in den einzelnen Pfarreien um Almosen zu bitten. Schließlich begeben sich einige aufs Land und in die Dörfer und bitten um Korn, Gerste, Käse, Öl, getrocknete Trauben und all die anderen Dinge, die zum Leben notwendig sind.
Die Almosen, die auf diese Weise zusammenkommen, reichen für die Erhaltung des Krankenhauses, denn trotz des geringen Einkommens, über das es verfügt, sorgt unser Herr dafür, dass gewöhnlich 120 Betten belegt und, außer den Brüdern, noch 30 Bedienstete beschäftigt werden können. Ja in besonderen Notzeiten kommt es vor, dass drei bis vierhundert Betten aufgestellt werden. Selbst dann werden alle erhalten und versorgt durch die Vorsehung unseres Herrn, was allgemein berechtigtes Staunen hervorruft.
Dieses Hospital ist nämlich seit seiner Gründung einem Erbe des gottseligen Johannes treu geblieben, und zwar, dass keinem Armen, der an die Tür klopft, die Aufnahme verweigert werden darf, dass es keine Begrenzung der Bettenzahl geben darf, kurzum, dass alle, so viele auch kommen mögen, mit offenen Armen aufgenommen werden müssen. Selbst wenn kein Bett mehr zur Verfügung steht, ziehen die Brüder es deshalb vor, die Hilfesuchenden auf eine Matte zu legen, bis ein Bett frei wird, und sie dort zu pflegen und mit den Sakramenten zu versehen, statt sie ohne Beistand auf der Straße sterben zu lassen.
Alle, die in das Hospital kommen, um zu dienen, dienen aus Liebe zu Gott und zum Nächsten, ohne irgendeine Entlohnung zu empfangen. Und so wird das Haus besser versorgt als irgendein Haus der Welt, denn alle kommen, um durch die Übung der Nächstenliebe für ihr Seelenheil zu arbeiten. Hierbei tut jeder sein Möglichstes, ohne dass er dazu angetrieben werden muss.
Aber die Frucht, von der wir erzählen, sollte nicht nur hier aufgehen. Denn aus diesem Haus sind wie aus einer Quelle viele vorbildliche Brüder hervorgegangen, die an vielen anderen Orten Hospitäler gegründet haben, in denen bis heute viele gute Werke vollbracht werden, die aus jenem kleinen Samenkorn hervorsprossen, das unser Herr mit Johannes von Gott zum Beispiel und Vorbild für viele säte.
So hat zum Beispiel dieses Haus Marin de Dios hervorgebracht, der das Krankenhaus der Brüder in Cordoba gründete, indem er an der Stelle des ehemaligen Sankt Lazarus Krankenhauses, das ihm vom König übergeben wurde, ein prächtiges Gebäude errichtete, das über viele Betten und ein gutes Einkommen an Getreide und Geld verfügt. Dieser Bruder führte ein heiliges Leben, war ein großer Büßer, ging Zeit seines Lebens barfuß und starb schließlich eines heiligen Todes.
Auch in der Stadt Lucena in Andalusien, die dem Herzog von Segorbe untersteht, hat ein Bruder dieses Hauses namens Fruto de San Pedro ein Krankenhaus gegründet, in dem die Armen aus jener Gegend betreut werden.
In Sevilla gründete Bruder Petrus der Sünder, der ebenfalls aus diesem Hause stammte, das sogenannte Bretterhospital, das bis heute diesen Namen trägt, weil es nach seinen anfänglichen Plänen dazu dienen sollte, während der Nacht Pilgern und obdachlosen Menschen Zuflucht zu bieten. Zu diesem Zweck wurden Bretter auf den Boden gelegt, auf denen viele Leute in ihrem Gewand schliefen. Später errichtete er dann eine Krankenabteilung, in der die Kranken betreut wurden, die sich unter den Schutzsuchenden befanden. Dieses Krankenhaus wurde in der Folge an den San Salvador Platz verlegt, wo es heute noch steht. Es heißt jetzt Hospital Unserer Lieben Frau vom Frieden und hat 60 Betten, in denen lauter unheilbare Kranke gepflegt werden. Das Bretterhospital hingegen sollte, wie das heute noch der Fall ist, nur mehr der Aufnahme von Pilgern während der Nacht dienen. Auch es wird von den Brüdern des anderen Hospitals betreut, die zwölf an der Zahl sind und mit großer Disziplin und Frömmigkeit leben. Da wir das denkwürdige Leben dieses Bruders, der inzwischen verstorben ist, gesondert behandeln werden, will ich hier nicht weiter darauf eingehen.
Auch in Rom und Neapel gibt es Hospitäler dieses Ordens. Diese sind folgendermaßen entstanden: Die Brüder des Hauses von Granada begaben sich zur Zeit Papst Pius V. seligen Gedenkens nach Rom, um sich in der Sache zu verteidigen, wegen der sie mit den Hieronymiten in Streit geraten waren. Da es nun nicht ihr Beruf war, Prozesse zu führen, sondern die Hospitalität zu üben, begann Bruder Sebastiano Arias, als er sah, dass sie keine Beschäftigung hatten, mit der Errichtung eines Hospitals in Rom. Dabei begegnete er der Gunst des Heiligen Vaters, der an seiner Gemeinschaft Gefallen fand, erregte doch die Liebe, mit der die Brüder die Armen betreuten. allgemeine Bewunderung. Deshalb förderte er sie nach Kräften und unterstützte wärmstens die Verwirklichung dieses Werkes, so dass in fünf Monaten sechzig Betten aufgestellt werden konnten. Damit nicht genug, wollte er sie auch zu einer regulären Ordensgemeinschaft erheben und gewährte ihnen, damit sie wirkliche Ordensleute seien, eine sehr wohlwollende Bulle, in der er unter anderem verfügte, dass sie nach der Regel des heiligen Augustinus leben und ihre Gelübde ablegen sollten. Die Brüder nahmen alles an und verpflichten sich seitdem bei der Profess zu einem Leben, wie es in der Bulle festgelegt ist, die ich später im Wortlaut aufführen werde.
Auch unser allerheiligster Vater Gregor XIII., der heute die Römische Kirche mit glücklicher Hand leitet, war und ist ihnen sehr wohlgesinnt und hat ihnen als Protektor den Hochwürdigsten Kardinal Savelli, seinen Vikar, gegeben, damit er sie in all ihren Belangen verteidige und schütze, was derselbe denn auch mit großer Liebe und großem Wohlwollen tut.
Auch in anderen Gegenden Spaniens wurden Hospitäler dieses Ordens errichtet, die hier im Einzelnen aufzuzählen jedoch zu weit führen würde. Nur so viel sei gesagt: Vor wenigen Tagen ist der Ruf von Johannes von Gott und von dem großen Nutzen, den sein Orden im Dienst der Hospitalität stiftet, sogar bis Westindien gedrungen. Es sind nämlich an das hiesige Haus in Granada Briefe aus Peru, Panama und Nombre de Dios vonseiten dort gegründeter Krankenhäuser gelangt, deren Verwalter sich in den Gehorsam und in die Abhängigkeit dieses Hauses begeben und sich seiner Ordnung und Gemeinschaft unterstellen wollen. Sie bitten eindringlich darum, man möge ihnen seine Lebensordnung, die Konstitutionen der Brüder sowie die Bulle, die sie erlangt haben, zusenden, weil sie ihren Orden dort einführen möchten, damit auch bei ihnen die Armen mit der gebührenden Liebe betreut würden. Der Wunsch wurde ihnen erfüllt und alles, was sie verlangten, im vergangenen Jahr 1581 zugesandt.
Es scheint mir jedoch, dass es sehr vernünftig wäre, wenn alle Fürsten der christlichen Welt die Brüder nach Kräften begünstigen, für ihre Verbreitung sorgen und ihre Häuser mit Almosen unterstützen würden. Denn es ist zweifelsohne von großem Segen für die Allgemeinheit und von großem Nutzen für ihre Herrschaftsgebiete, einen Orden zu haben, der sich mit der gebührenden Liebe und ohne Eigeninteresse der Armen annimmt und dabei den Gestank und Schmutz erträgt, den dieser Dienst notwendigerweise mit sich bringt. Um keinen Lohn der Welt ließen sich nämlich Menschen finden, die bereit wären, eine solche Arbeit so zu verrichten, wie es sich gebührt; denn sie widerstrebt von Natur aus jedem und es gibt kein anderes Mittel als die Liebe, um dieses Widerstreben zu überwinden.
Da nun unser Herr einen Orden zum Leben erweckt hat, der sich mit großer Barmherzigkeit diesem einen Ziel widmet und es nur um seinetwillen mit der gebührenden Liebe zu verwirklichen sucht; sind ihm alle zu tiefem Dank verpflichtet. Deshalb sollten alle, die davon Kenntnis haben und denen am Ruhm dieses Ordens und am Gemeinwohl liegt, die Brüder nach Kräften fördern und beschützen. Denn abgesehen von alledem sind die Brüder überaus tugendhafte und vorbildliche Menschen, aus deren Reihen große Männer hervorgegangen sind, die sich durch ein heiligmäßiges Leben ausgezeichnet haben.
Um das, wenigstens teilweise, besser zu veranschaulichen, werde ich hier über das Leben von einem von ihnen berichten, der nicht mehr in dieser Welt weilt. Obwohl man auch von anderen erzählen könnte, werde ich es nicht tun, weil die Zeit dazu noch nicht reif ist. Denn einige von ihnen sind noch am Leben, andere aber, die schon gestorben sind, erfreuen sich bis heute lebendigster Erinnerung und eines hohen Bekanntheitsgrades. Aus diesem Grunde schien es mir nicht notwendig, darüber ausführlicher zu berichten.
Es ist nicht schwer zu erkennen, wie sehr sich die Klugheit und Weisheit der Kinder Gottes von derjenigen der Kinder dieser Welt unterscheidet. Während nämlich die einen voller Heuchelei nach Namen und Titeln streben, die ihrer Meinung nach ehrenvoll und ruhmvoll sind und in dieser Welt Achtung erwecken, damit aber nur ihre Unzulänglichkeit und mangelnde Tugend bedecken und anders erscheinen wollen, als sie in Wirklichkeit sind, geben sich die anderen, die zu Recht all diese Ehren und Titel verdienen würden, die niedrigsten und entwürdigsten Namen, um so den Schatz, den sie vom Herrn empfangen haben, zu verbergen und ihm Ehre zu erweisen. Auf diese Weise verkünden sie seine große Milde, überschüttet er doch, als der schenkende Gott, gerade solche Menschen mit seiner Gunst und Gnade.
Das ist auch der Grund, weswegen dieser heilige Mann es für richtig hielt, den Namen „Petrus der Sünder“ anzunehmen. Denn da er sein ganzes Leben auf ehrliche Selbsterkenntnis und Gottessuche gründete, wurde ihm durch das Licht der göttlichen Majestät geschenkt, sich immer tiefer der eigenen Armseligkeit und Unwürdigkeit bewusst zu werden, je mehr er Gott erkannte. Und für diese hohe Aufgabe glaubte er keinen vornehmeren und bezeichnenderen Wappenschild wählen zu können als den Namen „Petrus der Sünder“. Daran erkennt man sofort die Schule, in der er sich geformt hatte, und dass es sein Anliegen war, sein Leben dem der ausgezeichneten Männer gleichzugestalten, denen der Herr häufig den ursprünglichen Namen wechselte, um sie zu solchen zu machen.
Nach den vielen Hinweisen, die uns über ihn vorliegen, gelang ihm das so gut, dass man mit vollem Recht ein eigenes Buch über sein Leben schreiben könnte, um seine große Buße, seine großen Tugenden, seine vollkommene Gottes- und Nächstenliebe sowie das Eremitenleben, welches er viele Jahre lang auf einem einsamen Berg führte, zu erzählen.
Die Vorliebe für die Einsamkeit ist aber auch der Grund, weshalb man wenig von seinem Leben weiß. Nur unter großen Schwierigkeiten und nur um Gottes willen konnte man ihn nämlich dazu bewegen, unter anderen Menschen zu leben, wie wir aus dem folgenden Bericht ersehen werden, in dem im Wesentlichen alles zusammengetragen ist, was wir über ihn in Erfahrung bringen konnten.
Petrus der Sünder stammte aus Andalusien. Den genauen Geburtsort kennen wir nicht. Wir wissen auch nicht, unter welchen Umständen seine Bekehrung erfolgte, so dass er mit so glühendem Eifer unserem Herrn folgte. Wir wissen nur, dass er sich bereits als Heranwachsender, zuerst in der Stadt Jaen, mit den eigenen Händen den Lebensunterhalt verdiente und diese Gewohnheit zeitlebens beibehielt ganz wie der heilige Apostel Paulus, der, wo immer er sich aufhielt, stets von der eigenen Arbeit leben und niemanden um etwas bitten wollte.
Er trug zwei Eimer Wasser auf seinen Schultern durch die Straßen und verdiente sich so sein tägliches Brot. Was von seinem Essen, das äußerst sparsam und gering bemessen war, übrig blieb, gab er den Armen. Danach zog er sich in seine Unterkunft zurück und versenkte sich ins Gebet, wovon ihn weder feines Essen noch ein weiches Bett abhielten, denn dies war die nackte Erde. Wenn er sich unter die Menschen begab, trug er stets ein raues Gewand, das sich nicht von dem der anderen unterschied. Viele Jahre ging er barfuß, bis man ihn in vorgerücktem Alter im Gehorsam dazu brachte, Schuhe zu tragen.
Von Jaen zog er sich in eine Einsiedelei an einem öden und einsamen Ort in den Bergen von Malaga zurück, wo er viele Jahre lang ein engelgleiches Leben führte und, wie bereits gesagt, von seiner Hände Arbeit lebte, indem er Löffel, Körbchen und andere Gegenstände aus Holz herstellte, die er zu seinem Lebensunterhalt verkaufte.
Es ist anzunehmen, dass ihm dort vieles widerfuhr, das es verdienen würde, erzählt zu werden, doch bedauerlicherweise haben wir keine Kenntnis davon. Denn Petrus der Sünder war ein äußerst schweigsamer Mensch, der kein Wort verschwendete, es sei denn zur Ehre Gottes und zum Heil des Nächsten. Trotzdem kann aus den Wirkungen manches erschlossen werden: Er kam nämlich von dort, entflammt von solcher Gottesliebe, dass sie – weithin sichtbar für jedermann – aus den Früchten leuchtete, die er überall stiftete, wenn er in die benachbarten Städte ging. Dies werden wir gleich genauer sehen.
In der Einsamkeit wurde er eines Tages von dem Verlangen erfasst, nach Rom zu reisen, um an den heiligen Stätten der Ewigen Stadt die Reliquien der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu verehren. Bei der Durchführung dieses Vorhabens hatte er sowohl auf dem Hinweg als auch auf dem Rückweg viel zu leiden unter Hunger, Kälte und Hitze. Denn er war nur sehr spärlich gegen die Unbilden der Witterung geschützt, ging barfuß und hatte den Kopf nicht bedeckt. Bei der Ankunft besuchte er mit großer Andacht und mit Tränen in den Augen die heiligen Stätten, nach denen er sich so sehr gesehnt hatte, und bedeckte mit zahlreichen Küssen den vom Blut so vieler Märtyrer durchtränkten Boden.
Wie immer, wenn er irgendwie dazu Gelegenheit hatte, widmete er sich auch hier dem Wohl und dem Heil seiner Mitmenschen und sorgte sich darum, die Kreaturen zu ihrem Schöpfer zu führen. Unter anderem sprach er nun eines Tages mit einem Juden, der ihm gefiel, da er offensichtlich ein bescheidener junger Mann mit angenehmem Auftreten und hellem Verstand war. Er sprach deshalb mit ihm von seinem Heil und von dem Irrweg, auf dem er sich befand, indem er ihm erklärte, dass er einem Gesetz folgte, das mit dem Kommen des Messias seine Gültigkeit verloren hatte, und dass derjenige, den Gott durch die Propheten verheißen hatte, wahrhaft gekommen sei, auch wenn sie in ihrer Blindheit noch immer auf ihn warteten. Und er verstand es so gut mit ihm zu sprechen, dass er mit der Hilfe Gottes und dessen Licht den jungen Juden bekehrte und zum Bekenntnis der Wahrheit brachte. Als der junge Mann darauf um die Taufe bat, wurde sie ihm mit großer Feierlichkeit in Rom gespendet. Um ihn künftig vor der Gefahr zu schützen, dass er sich mit den anderen Juden, die dort lebten, treffen und unterhalten könnte und so durch sie vom Glauben abtrünnig gemacht werden würde, überredete er ihn, mit ihm nach Spanien zu gehen. Der junge Mann nahm den Vorschlag an und so kehrte Petrus der Sünder mit ihm nach Spanien zurück.
Nach der Rückkehr aus Rom begab er sich geradewegs nach Sevilla, wo er – mit dem inzwischen erworbenen, vorzüglichen geistlichen Rüstzeug – nahezu nackt, barfuß und einen Strick um den Leib durch die Straßen der Stadt zog, indem er öffentlich Buße tat und alle aufforderte, dasselbe zu tun. Seine Worte waren so eindringlich und so lebendig, dass er die Herzen aller, die ihn hörten, damit durchdrang, und allen deutlich wurde, dass diese Worte vom Feuer des Heiligen Geistes erfüllt waren, so mächtig war ihre Wirkung. Denn viele verließen, gedrängt von seinen Worten, die Welt und folgten Christus auf verschiedenen Wegen. Einige traten in einen Orden ein, andere folgten seinem Beispiel, wie wir gleich sehen werden. Seine Art zu sprechen war so, als spreche nicht er, sondern als bewege ein anderer seine Zunge. Denn er schritt so in sich gekehrt und allem entrückt vor sich hin, dass es den Anschein hatte, als ob er bei seinem Gang über die Plätze niemanden höre und sehe und wie allein in den Bergen dahinwandle.
Er sprach wenig. Die wenigen Worte aber, die er sprach, waren so lebendig, dass sie bis heute selbst der gottvergessenste Mensch nicht vergessen hat und sich voller Bewunderung an sie erinnert.
Mit dieser Haltung und mit diesem Auftreten zog er durch das ganze Gebiet von Sevilla. Dort gründete er mit den Brüdern, die sich ihm angeschlossen hatten, wie wir bereits berichtet haben, das Bretterhospital und widmete sich längere Zeit der Sorge und Pflege der Armen. Zu diesem Zweck ging er durch die Straßen, aber anstatt zu betteln, verkündete er die Wahrheiten des Glaubens und erhielt, ohne darum zu bitten, von allen etwas für seine Armen. Damit nicht der Eindruck entstand, es liege ihm nur die tätige Sorge um die anderen am Herzen und er habe darüber sein eigenes Seelenheil, das frühere Leben in den Bergen und das Gebet vergessen, versammelte er von Zeit zu Zeit die Brüder um sich und hielt ihnen eine Ansprache. Dabei erklärte er ihnen, wie wichtig es sei, das Gebet zu pflegen, um die Fundamente der Tugenden zu festigen und dann wieder mit neuer Kraft zum Dienst an den Brüdern zurückzukehren, was freilich im hektischen Treiben von Sevilla nicht leicht war.
Deshalb ließ er einen Bruder im Hospital und begab sich mit den anderen in die Ronda Berge. Dort suchte er den rauesten Ort und zog sich in eine Grotte zurück, wo er viele Tage im Gebet und in der Betrachtung verbrachte. Als Meister, der sich viele Jahre darin geübt hatte, unterwies er seine Brüder kundig in diesem Weg. In gleicher Weise lehrte er sie, mit ihren Händen zu arbeiten, um den Müßiggang zu meiden und sich den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen.
Von hier aus kehrte er nach einigen Tagen, manchmal aber auch erst nach einem Jahr oder sogar noch längerer Zeit, in die Stadt zurück. Und so führte er bald das eine, bald das andere Leben und formte seine Brüder zu großer Tugend, einem vorbildlichen Leben, zu Heiligkeit und strenger Buße. Um sie dahin zu führen, reichte sein bloßes Beispiel, waren seine Strenge zu sich selbst und seine große Enthaltsamkeit doch eine ständige lebendige Mahnung.
Durch das viele Barfußgehen, bei dem er immer wieder an spitze Steine stieß, entstanden so große Wunden an seinen Füßen, dass er in Ermangelung eines anderen Mittels mit einer Ahle die harten Schwielen aufstach und dann die Risse mit einem Schusterzwirn zunähte.
Eines Tages befand er sich mit einem einzigen Gefährten, der noch lebt, in den Bergen. Sie waren Holz sammeln gegangen, um Löffel und Keile herzustellen. Als sie nun heimgingen, ohne gegessen zu haben, sprachen sie unterwegs davon, dass sie in der Grotte nichts zum Essen vorfinden würden, wiewohl sie völlig ausgehungert waren. Bei der Ankunft sah Petrus auf einer Steinbank ein großes Stück weißes Brot und daneben ein Gefäß voller Öl. Da wandte er sich an seinen Gefährten und sagte zu ihm mit Tränen in den Augen: „Sieh her, Bruder, wie der gütigste Herr für uns gesorgt hat, obwohl wir es nicht verdienen.“ Da warfen sich beide auf die Knie und dankten Gott inständig dafür, dass er ihre Seele mit diesem Geschenk im Glauben und ihren Leib mit der notwendigen Speise gestärkt hatte.
Obwohl Petrus der Sünder immer wieder das Verlangen verspürte, Jesus Christus in seinen Armen zu dienen, war es doch sein Herzenswunsch und seine größte Freude, in Einsamkeit und Zurückgezogenheit zu leben. Deshalb kehrte er, wenn er sich eine Zeit lang im Hospital aufgehalten hatte, immer wieder in die Berge zurück.
Da er nun das Gefühl hatte, dass er in Sevilla zu einer bekannten Persönlichkeit geworden sei und dass man ihm, wenn man ihm begegnete, mehr Ehre erwies, als seine große Demut und Weltverachtung ertragen konnten, beschloss er, nicht mehr dorthin zu gehen. Er vertraute deswegen das Hospital einem Bruder namens „Petrus der Sünder der Kleine“ an, der als ein Mann von großer Tugend und Heiligkeit, aber auch von großer Begabung galt und sich in Sevilla beim Volk großer Hochschätzung und Beliebtheit erfreute. Er selbst aber begab sich nach Granada in das Hospital von Johannes von Gott, und tat dort, was man ihm befahl. Wie vormals in Sevilla, zog er auch hier – barfuß und barhaupt, mit ungeschorenem Haar, gekleidet in ein einfaches, sackähnliches Gewand aus grobem Tuch, das ihm bis an die Füße reichte – durch die Straßen und hielt die gewohnten Ermahnungen. In der Hand hielt er ein Kreuz, so dass schon sein bloßer Anblick alle aufrüttelte und zum Nachdenken bewegte. Und auch hier bewirkten seine Worte dieselbe Frucht, die er überall, wo er gewesen war, gestiftet hatte.
Von Zeit zu Zeit ging er, wie es seine Gewohnheit war, ins Gebirge, bis einige bekannte Personen ihm zuredeten und davon überzeugten, seinen Aufenthalt ganz im Hospital von Johannes von Gott zu nehmen und dessen Ordenskleid anzunehmen. Dies rieten sie ihm auf einer Seite wegen seines vorgerückten Alters, denn er war inzwischen beinahe 70 Jahre alt und war der Härte des Lebens in den Bergen nicht mehr gewachsen. Auf der anderen Seite mahnten sie ihn, an den großen Nutzen zu denken, den er für alle in der Stadt, sowohl Arme als auch Reiche, bedeutete.
Da er seit langem seinem eigenen Willen abgeschworen hatte, gehorchte er. Es schien ihm nämlich, dass es keine schlechte Krönung seines Einsiedlerlebens, das er bis zur Stunde geführt hatte, sei, wenn er vor seinem Tod noch die Profess ablegen und ewigen Gehorsam geloben würde. Also ging er hin, nahm das Ordenskleid und legte nach einigen Tagen die Gelübde ab. Für das Haus war sein frommes Leben, sein Beispiel und das, was er für die Armen sammelte, ein großer Segen. Er widmete sich weiterhin seinen gewohnten Übungen und sorgte dafür, dass in allem Gott immer mehr verherrlicht wurde.
Zu diesem Zweck versammelte er draußen das arbeitsscheue und verwilderte Volk um sich und hielt ihm so eindringliche und tiefsinnige Reden, dass daraus selbst hochgebildete Menschen mit vielen Jahren Studium hätten lernen können. Außerdem hatte er die Angewohnheit, jeden Tag frühmorgens auf die Plätze zu gehen, wo sich die Landarbeiter einfanden, um Arbeit zu suchen. Dort stieg er auf einen Tisch, kniete sich nieder und las ihnen voller Andacht die ganze Christenlehre vor, wusste er doch, dass viele von denen, die sich dort versammelten, sie nicht kannten. Deshalb dachte er, dass sie sie lernen würden, wenn sie sie regelmäßig hörten und sie dann, wie er es tat, danach abgefragt würden.
Gewöhnlich trug er auf den Plätzen eine liebevoll geschmückte Statue des Jesuskindes in der Hand. Es hatte etwas Geheimnisvolles an sich zu sehen, mit welch großer Ehrfurcht und Inbrunst er diese Statue trug, denn er wandte nie – nicht einmal für einen Augenblick – seine Augen von ihr ab, so müde er auch sein oder so lange er sie auch getragen haben mochte. Und obwohl sie ziemlich groß und schwer war, wurde er nicht müde, sie den ganzen Tag in derselben Hand zu halten, ohne je mit der anderen abzuwechseln, und das, obwohl er doch schon so alt war, was natürlich bei allen, die ihn sahen, große Verwunderung hervorrief.
Jeden Freitag trug er ein großes Kreuz, auf das der gekreuzigte Jesus gemalt war, den er besonders verehrte und lobpreiste. Schon als er noch auf dem Berge weilte, hatte er ein großes Kreuz vor dem Eingang der Grotte errichtet, vor dem er jedes Mal, wenn er in sie zurückkehrte, andachtsvoll niederkniete und mit dem er – ganz wie der heilige Andreas, als er gekreuzigt wurde – sich gerne voller Liebe, Herzlichkeit und Freude unterhielt.
Wenn er sich im Krankenhaus aufhielt, stand er immer um Mitternacht auf, begab sich in die Kirche, kniete sich nieder und verweilte dort bis zum Morgen in Anbetung und Gesang vor dem Allerheiligsten Sakrament. Mit großer Frömmigkeit und in heiliger Einfalt sprach er: „Wer wird mich trennen vom Gekreuzigten? Weder der Satan noch irgendetwas in der Schöpfung.“ Dann besang er wieder den Herrn und seine große Liebe, stand auf und tanzte dazu, kehrte wieder zum Gebet zurück, und verbrachte so ganze Nächte im Bann der süßen Melodie seiner Seele.
Dasselbe tat er an einigen Hauptfesten und an den Tagen einiger Heiliger. Bei solchen Gelegenheiten ging er frühmorgens in die betreffende Festkirche, um vor dem Altar zu tanzen und einige Lieder auf das Fest zu singen. Dann kniete er nieder, um zu beten, und begann dann wieder mit solcher Hingebung zu tanzen, dass er die Herzen aller ergriff, die das Glück hatten, ihn zu sehen. Denn, wie bereits erwähnt, tat er dies alles mit einer solch seligen Insichgekehrtheit, – ohne im geringsten auf jemanden zu achten –, als ob er allein auf der Welt wäre und nicht unter den Menschen. Doch das wundert mich nicht, hatte der ständige Umgang mit Gott in ihm doch eine so große Ehrfurcht und Liebe wachsen lassen, dass er immer nur – einzig und allein auf seinen Dienst bedacht und hin geordnet – in seiner Gegenwart wandeln wollte, und so das Gefühl verloren hatte, unter den Menschen zu weilen. Und so achtete er auf sie nicht mehr als auf leblose Steine, von denen er sich in keiner Weise am Umgang mit Gott hindern lassen wollte.
Gleicherweise handelte und betete er in der Öffentlichkeit so, als ob er sich in seiner Zelle befände. Diese Besonderheit rief natürlich allgemeine Beachtung und Betroffenheit hervor. Diejenigen, die diesen Zustand richtig zu deuten wussten, staunten darüber und lobten und priesen den Herrn, dass er ihm eine solche Gnade und ein so zeichenhaftes Leben geschenkt hatte.
Er war auch ein großer Verehrer des Allerheiligsten Sakramentes und der Mutter Gottes. Wenn er sich am Fronleichnamstag in Granada aufhielt, schmückte er Gewand und Haupt und schritt bei der Prozession, in einem fort tanzend und singend, vor unserem Herrn her, ohne dabei, trotz seines hohen Alters, im geringsten müde zu werden. Und obwohl er eigentlich gar nicht tanzen konnte, bewegte er sich doch mit solcher Anmut und Hingabe, dass die Leute auf alle sonstigen festlichen Darbietungen verzichteten, nur um Petrus dem Sünder beim Tanzen zuzuschauen. Ja es gab sogar geistliche Personen, die sagten, sie gingen hin, um beim Anblick des tanzenden Petrus Tränen göttlicher Ergriffenheit zu weinen. Denn er tanzte mit solcher Begeisterung vor unserem Herrn und seiner Unbefleckten Mutter und sprach dabei so ergreifende Worte, dass alle zutiefst zu Tränen gerührt waren.
Als nun die Zeit gekommen war, da der Herr seinem Diener die ewige Ruhe und den gerechten Lohn für seine Dienste und Mühsale gewähren wollte, wurde Petrus dem Sünder befohlen, sich nach Madrid zu begeben und dort mit dem König über gewisse Dinge, die das Haus betrafen, zu verhandeln. So sollte sich der Rat erfüllen, den ihm jene Personen gegeben hatten, nämlich, dass es gut sei, wenn er seine Tage im Gehorsam beende.
Er gehorchte, ohne ein Wort zu sagen, obwohl ihm der Auftrag ganz gewiss nicht behagte; denn einerseits war er alt und gebrechlich – ist das Alter doch schon allein eine Krankheit –, andererseits waren ihm der Rummel und der Hof von Grund auf zuwider. Trotzdem beugte er sein Haupt und machte sich zusammen mit einem Esel, den ihn der ältere Bruder mit sich nehmen ließ, auf den Weg. Aber soweit man erfuhr, setzte er sich nur selten auf das Tier. Denn er war so etwas nicht gewohnt, war er doch sein ganzes Leben lang zu Fuß gegangen. Auch was das Essen anbelangte, begnügte er sich auf der ganzen Reise mit dem unbedingt Notwendigen.
Als er in Madrid ankam, ging er zwar in das Hospital zu seinen Mitbrüdern, wollte dort aber als auswärtiger Gast nicht im Refektorium mit den Brüdern essen, sondern zog es vor, in einem Winkel ein Stück hartes Brot zu verzehren, das er in einem Korb mit sich trug. Das genügte ihm. Er begann nun, die ihm aufgetragenen Geschäfte zu erledigen, als er plötzlich von einem heftigen Fieber befallen wurde, das einige Tage dauerte und ihn so sehr entkräftete, dass er schnell erkannte, dass dies wohl seine letzte Krankheit sein sollte. Also verließ er den Hof und begab sich nach Mondejar, einen in der Nähe gelegenen Ort.
Dort hielten sich zu jener Zeit gerade der Graf und die Gräfin von Tendilla auf, die jetzt Marquis von Mondejar sind. Diese haben sich, ebenso wie ihre Eltern und Großeltern, stets als äußerst fromme Christen hervorgetan und seit jeher eine große Vorliebe für dieses Haus von Johannes von Gott bewiesen. Sie überhäuften und überhäufen es immer noch reichlich mit Almosen. Da sie lange Zeit Generalkapitäne des hiesigen Hoheitsgebietes von Granada waren und gegenwärtig Gouverneure der sich hier befindlichen, berühmten Festung der Alhambra sind und deswegen immer hier gelebt haben, kannten sie Petrus den Sünder sehr gut. Dieser zog sich deshalb zu ihnen zurück, um in ihrem Haus zu sterben. Als er das Haus betrat, stellte er sich den Marquis, die sich sehr freuten, ihn zu sehen, mit den Worten vor: „Ich komme, um zu sterben.“ Als sich die Krankheit verschlimmerte, ließen sie ihn in ein gutes Bett legen und sorgten – als ob es sich um einen ihrer eigenen Leute handelte – liebevoll dafür, dass er alles bekam, was er brauchte.
Statt nun laut zu klagen, wie es andere Kranke tun, begann Petrus mit noch größerer Innigkeit und Hingabe als bisher Lob und Liebeslieder auf Gott zu singen – ganz wie ein Schwan, der beim Sterben noch schöner singt. Denn er sah bereits greifbar vor sich seine Wünsche in Erfüllung gehen und den Tag herannahen, an dem er seinen geliebten Jesus sehen würde.
Nachdem er unter vielen Tränen der Dankbarkeit die Sterbesakramente empfangen hatte, blieb er die Nacht, in der er starb, mit dem Marquis und seiner Gemahlin allein. Denn diese wollten die kurze Zeit, die noch blieb, um keinen Preis seine wohltuende, engelgleiche Nähe und seine heiligen Worte missen. Er begann nun zu Gott zu singen und sich wie im Tanz zu bewegen. Dazu schnalzte er, wie es seine Gewohnheit war, mit den Fingern und rief dann mehrmals aus: „Pflückt diese Blumen, pflückt diese Blumen!“, wie jemand, der schon die Blumen sieht, welche nach den Worten der Braut im Hohen Lied auf unserer Erde erblüht sind und bald Früchte bringen werden, die zum Genuss in der ewigen Seligkeit bestimmt sind. Und mit diesen Worten gab er seine Seele dem Schöpfer zurück.
Sein Leben durch einen solchen Tod besiegelt zu sehen, erfüllte alle mit großem Trost und großer Zuversicht. Und alle dankten dem Herrn aus ganzem Herzen für diese wunderbare Erfahrung.
Kaum war die Nachricht von seinem Tod bekannt geworden, strömten viele Menschen herbei, um ihn zu sehen und als einem Heiligen und Mann Gottes Ehre zu erweisen. Auch die Marquis verehrten ihn als einen Heiligen und ließen für ihn ein festliches Begräbnis mit allen Ehren vorbereiten. Nachdem man ihn einige Tage für die gesamte Öffentlichkeit in der Kirche aufgebahrt hatte, ordnete der Marquis an, man solle einen mit schwarzem Leder gefütterten Holzsarg anfertigen und den Leib dort hineinlegen.
Da der Marquis diesem Haus und den Brüdern in großer Liebe zugetan ist, wollte er ihnen den Leib dieses heiligen Mannes nicht vorenthalten und befahl deswegen seinen Dienern, ihn auf einer Mauleselin, die zu diesem Zweck gebührend geschmückt wurde, in dieses Haus zu bringen. Und so brachten sie ihn nach Granada. Obwohl es nun sehr heiß war und sie eine Strecke von 70 Meilen zurückzulegen hatten, kam der Leib, ohne den geringsten Geruch und unversehrt wie in der Todesstunde, an, obwohl er schon vierzehn Tage tot war. Er traf um Mitternacht ein. Der ältere Bruder berichtete, dass er in der Nacht, in der man den Leichnam ins Hospital brachte, noch wach in seiner Zelle war. Bevor sie nun an der Pforte klopften, vernahm er einen heftigen Schlag an der Zimmerdecke, dass er glaubte, seine Wohnung und sein Zimmer würden einstürzen. Als er daraufhin die Zelle verließ, um nachzusehen, was geschehen sei, hörte er nichts. Alles schlief ruhig.
Plötzlich hörte er ein ungestümes Klopfen an der Pforte. Er schickte sofort jemanden hinaus, um nachzusehen, was los sei, und bekam die Mitteilung, dass der Leichnam Petrus des Sünders eingetroffen sei. Nun wurde ihm klar, dass der Schlag, den er vernommen hatte, eine Vorankündigung des wichtigen Ereignisses gewesen war, das seinem Haus bevorstand. Darauf stand das ganze Haus auf und ging dem Leichnam mit weißen Kerzen entgegen. Nachdem sie ihn solcherart empfangen hatten, legten sie ihn unter großer Freudenbekundung in die Kirche.
Als sie ihm nun ein Begräbnis bereiten wollten, wie es ein solcher Mensch verdient, da gestattete es der Erzbischof aus Gründen, die er für angemessen hielt, nicht, sondern befahl die sofortige Beisetzung. Freilich konnte dies nicht so geheim geschehen, so dass zum Schluss doch viele Menschen herbeiströmten und ihm mit großer Andacht die letzte Ehre erwiesen. Als diese sahen, dass er so viele Tage nach seinem Hinscheiden immer noch unversehrt war, priesen sie unseren Herrn, der groß ist in seinen Heiligen und lebt in Ewigkeit. Amen.